• 23.05.2025
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Wenn die Kosmetikverpackung in den Pfandautomaten wandert

Das Start-up reo und drei Hersteller von Naturkosmetik führen ab Juni ein neues Mehrwegsystem für ausgewählte Verpackungen ein. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik begleitet das Pilotprojekt wissenschaftlich.

Reo-Team: Drei junge Frauen in Businesskleidung stützen sich nebeneinander auf einen Hochtisch auf.
Die Gründerinnen des Start-up reo, Nina Hillemeir-Köhler (von links), Steffanie Rainer und Samira Nabatian. Das 2023 gegründete Start-up entwickelt eine digitale Plattform für zirkuläre Verpackungslösungen im Personal Care- und Konsumgüterbereich.

Mehrwegsysteme sind in der Kosmetikbranche bislang ein Novum, das ändert sich nun: Ausgewählte Verpackungen der Naturkosmetik-Marken Lavera, Kneipp, Sante Naturkosmetik und Logona können bald im Handel zurückgegeben werden. Die drei Unternehmen Laverana GmbH, Kneipp GmbH und Logocos Naturkosmetik GmbH & Co. KG wollen gemeinsam mit dem Start-up reo, das auf dem Gemeinschaftsstand „Young Innovators“ der FACHPACK 2025 seine Innovationen vorstellt, einen neuen Meilenstein für nachhaltige Verpackungslösungen setzen. Das Vorhaben startet im Juli im Großraum München, erklärt Sabine Kästner, Nachhaltigkeitsbeauftragte von Lavera. Marken wie Lavera stellen derzeit alle Verpackungen auf den Prüfstand, um sie nachhaltiger zu gestalten, so Kästner im Exklusiv-Interview mit FACHPACK360°.

Herzstück des auf zwei Jahre angelegten Forschungsprojekts ist die digitale Plattform von reo, die alle Akteure – von Hersteller über Handel bis zu den Verbrauchern – intelligent vernetzt. Ziel ist die Entwicklung eines zirkulären Mehrwegsystems für Kosmetikverpackungen.

Im Zentrum der ersten Phase des Projekts steht die Frage, wie Verbraucher bereit sind, leere Kosmetikverpackungen zurückzugeben. In zehn ausgewählten Münchner Filialen eines großen Lebensmittelhändlers und bei VollCorner (München) können Kunden die Verpackungen an gängige Getränkepfandautomaten abgeben. Dafür erhalten sie laut reo einen Pfandbon in Höhe von 0,29 Euro als Geschenk. Die gesammelten, codierten Behälter werden geprüft, gereinigt und – wenn möglich – wieder in den Produktionsprozess integriert. Mithilfe digitaler Nachverfolgung sollen der Produktfluss und das Rückgabeverhalten genau analysiert werden. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) begleitet das Projekt wissenschaftlich.

Durch die umfassende Erhebung und Auswertung von Daten wird der Lebenszyklus jeder Verpackung transparent nachvollziehbar, erklärt Kästner. Dies ermöglicht nicht nur die Wiederverwendung von Behältern, sondern liefert laut Projektbeteiligten auch wertvolle Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Systems. So entstehe ein flexibles, digitales und zirkuläres Modell, das als Blaupause für die gesamte Kosmetikbranche dienen könne.

 

Shampoo-Flasche bis zu 20-mal verwendbar

„Als wir von dem Projekt erfahren haben, haben wir sofort verbindlich als erste Marke zugesagt. Wir unterstützen damit ein Pilotprojekt, mit dem wir Kosmetikverpackungen ein zweites Leben schenken, bis sie letztendlich ihr drittes Leben als Rezyklat antreten. Man geht davon aus, dass eine Shampoo-Flasche zirka 20-mal wieder verwendet werden kann. Sollten wir hier einen holistischen Ansatz finden, könnten wir in der Kosmetik viele wertvolle Rohstoffe einsparen und ein neues Entsorgungssystem für Kosmetikverpackungen mit etablieren“, so Kästner.

„Nachhaltigkeit ist in der DNA unserer Partnermarken tief verankert – und der Wunsch, Verantwortung über das Produkt hinaus zu übernehmen, ist spürbar groß“, erklärt Steffanie Rainer, Gründerin und CEO von reo. Das 2023 gegründete Start-up aus Heilbronn entwickelt eine digitale Plattform für zirkuläre Verpackungslösungen im Personal Care- und Konsumgüterbereich. Ziel ist es, bestehende Strukturen intelligent zu vernetzen und die Umstellung auf Mehrweg für alle Beteiligten so einfach und effizient wie möglich zu gestalten. „In der Kosmetikindustrie sind die Herausforderungen rund um Verpackung sehr hoch. Die Individualität von Marken hat einen großen Stellenwert. Eine offene, datengetriebene und markenübergreifende Systemlösung wie reo sie bietet, ist im Personal Care- und Kosmetikbereich die Chance, um die Transformation Richtung Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen“, so Rainer.

Die Eignung einer Verpackung für Mehrweg hänge von verschiedenen Faktoren ab, sagt Nina Hillemeir, Mitgründerin des Start-up. Reo arbeite mit standardisierten Verpackungsmerkmalen, wie bestimmten Öffnungsgrößen oder Schulterformen, um die Systemkompatibilität zu gewährleisten. „Dabei können wir den individuellen Markenauftritt erhalten. Besonders gut geeignet seien für den Einstieg Produkte mit niedrigerer Viskosität wie Shampoos, Flüssigseifen oder Pflegeöle. Für die Reinigung entwickeln wir in Zusammenarbeit mit unserem erfahrenen Reinigungspartner Lösungen, um für jede Produktkategorie die optimale Reinigung zu gewährleisten“, erklärt Hillemeir gegenüber FACHPACK360°. Reo wolle eine neue Systemoption schaffen, die individuelle Mehrweglösungen als One-Shop-Lösung anbiete und so den Weg zu kreislauffähigen und ressourcenschonenderen Verpackungslösungen ebne.

 

Von Anna Ntemiris, Redakteurin