• 06.06.2025
  • Artikel

Warum der Joghurtbecher ein Symbol für die Herausforderung der Verpackungsbranche ist

Molkereiprodukte sollen in der EU künftig nachhaltiger verpackt werden. Die PPWR gibt die Richtung dazu vor. Sind Becher für Molkereiprodukte aus rPET eine nachhaltigere Verpackungslösung?

Zwei Alpla Joghurtbecher mit und ohne Kartonschicht.
Alpla realisiert gemeinsam mit Maschinenhersteller Engel, Werkzeugbauer Brink, Labelproduzent iPB Printing und Joint-Venture-Partner Intopack dünnwandige Becher aus PET-Recyclingmaterial für Molkereiprodukte.

Der Joghurtbecher gehört – neben der Salatgurkenfolie – zu den am häufigsten verwendeten Beispielen für die Komplexität des Themas nachhaltige Verpackungen. Besteht ein Becher aus Kunststoff und Papier, stellt sich die Frage, ob die Verbraucher die Papierbanderole abnehmen und die Verpackungsbestandteile in den richtigen Tonnen landen. In einem Praxistest stellt die Beratungsagentur Berndt + Partner fest, dass die Mehrheit der Joghurtverpackungen bereits mit Siegeln und Entsorgungshinweisen ausgestattet sind. Die Umstellung auf Monomaterialien werde zunehmend umgesetzt. Defizite erkennen die Experten nur bei Design, Präsentation am Verkaufsort und Gestaltung der Sekundärverpackung. 

Beim Verpackungstest wurde der Landliebe Joghurt im geformten Becher als vorbildlich gewertet. Landliebe gehört zur Unternehmensgruppe Theo Müller, ebenso wie die Optipack GmbH. Das Unternehmen ist europaweit einer der führenden Hersteller von PS (Polystyrol)- und PP (Polypropylen)-Bechern, sowie PET-Preforms für die Lebensmittelindustrie. Speziell im Bereich vorgeformte Kunststoffbecher ist Optipack einer der wichtigsten Zulieferer der Nahrungs- und Genussmittelindustrie.

Fernholz Joghurtbecher-Attrappe auf der FACHPACK-Messe.
Fernholz präsentierte auf der FACHPACK den Desto-Becher, eine Kombination aus Papier und Kunststoff. Da der Karton sich vom dünnen Kunststoff-Inlet lösen lässt, kann der Becher sortenrein recycelt werden. Das Unternehmen setzt nach einer EU-Zulassung auch auf rPET-Becher.

PPWR macht Druck

Die Hersteller solcher Molkereiprodukte wie Joghurt, Streichkäse, Pudding, Rahm und Topfen sollen künftig nachhaltiger verpacken. Die europäische Verpackungsverordnung PPWR gibt die Richtung vor. Ab 2030 müssen Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff einen prozentualen Mindestanteil an Recyclingmaterial enthalten. Verpackungshersteller Alpla erklärt dazu, dass das Problem dabei sei, dass es für Joghurtbecher aus PP oder PS „kein zugelassenes Recyclingmaterial aus dem mechanischen Recyclingverfahren für den Kontakt mit Lebensmitteln gibt. Nur über das weit kosten- und energieintensivere chemische Recycling sind geringe Mengen verfügbar. Zu wenig für die flächendeckende Verwendung.“
 

Alpla setzt auf den „Alleskönner“ PET (Polyethylenterephthalat). Gemeinsam mit Maschinenhersteller Engel, Werkzeugbauer Brink, Labelproduzent iPB Printing und Joint-Venture-Partner Intopack entwickelte Alpla nun erstmals dünnwandige PET-Kunststoffbecher mit Recyclingmaterial. Das einstufige Spritzgussverfahren erlaube vollständig kreislauffähige Verpackungen aus bis zu 100 Prozent rPET. „So sind die von der PPWR bei PET geforderten 30 Prozent Recyclingmaterialanteil leicht möglich“, heißt es bei Alpla. Die Lösung soll ab dem 4. Quartal 2025 in Serie gehen.

Recyceltes PET (rPET) ist PET, das bereits mindestens einmal verwendet, recycelt und wiederverwertet wurde. Heute wird lebensmitteltaugliches rPET fast ausschließlich aus Flaschenströmen gewonnen. Reicht das Angebot an rPET für alle? Eine valide Aussage kann keiner treffen. „Wir gehen derzeit jedoch davon aus, dass die Rezyklatmengen, die bis 2030 am Markt verfügbar sind, nicht ausreichen werden, um dann 30 Prozent Anteil in allen Lebensmittelkontaktmaterialien ausmachen zu können“, erklärt die DMK Deutsches Milchkontor GmbH auf Anfrage von FACHPACK360°. DMK erklärt weiter: „Natürlich ist es auch möglich, PS oder PP mechanisch zu regranulieren und zu recyceln und hieraus zahlreiche gute Packstoffe zu fertigen. Sowohl zur Herstellung von rPS als auch bei rPP gibt es mittlerweile für den Lebensmittelkontakt zugelassene mechanische, lösemittelbasierte (rPS) oder chemische (rPP) Verfahren. Beide Materialien (rPP und rPP) sind jedoch bisher nur in sehr geringen Mengen am Markt verfügbar und entsprechend sehr kostenintensiv.“ Die DMK Group beteilige sich daher über die IVLV an Projekten zu unterschiedlichen Recyclingtechnologien, beschäftige sich zudem aber auch mit dem Einsatz von RPS.

Tomra, Hersteller unter anderem von Leergutrücknahmeautomaten, erklärt, dass die Nachfrage nach rPET in Lebensmittelqualität für die Flaschenproduktion das Angebot übersteige. Eine Erhöhung der Recyclingkapazität dieser Qualität (zum Beispiel durch fortschrittliches mechanisches Recycling) sowie des Vorrats an gesammelten PET-Flaschen von ausreichender Qualität seien erforderlich, um diese Kapazität zu bedienen. 

Modesto Marcus Pesavento, Geschäftsführer der Eproplast GmbH, empfiehlt einen maximalen Mengenanteil von 50 Prozent rPET, weil eine ausgewogene Mischung aus neuem PET und rPET „die optimale Balance zwischen Nachhaltigkeit, Funktionalität und Optik“ biete. Der vollständige Einsatz von rPET sei zudem aus Sicht der Kreislaufwirtschaft nicht ideal. „Zwar ist es derzeit unproblematisch, da ausreichend rPET auf dem Markt verfügbar ist. Wenn jedoch jeder ausschließlich 100 Prozent rPET verwenden würde, könnte das Kreislaufsystem langfristig beeinträchtigt werden.“

 

Fernholz hat Zulassung für rPET-Anlage

Fernholz Verpackungen hat im Januar von der EU die Zulassung zur Verarbeitung von recyceltem PET für den direkten Lebensmittelkontakt erhalten. Die W. u. H. Fernholz GmbH & Co. KG ist ein Produzent für Folien und Kunststoffverpackungen mit Sitz in Meinerzhagen und Schkopau. Nun gehört das Unternehmen nach eigenen Schätzungen zu den rund 250 Firmen in Europa und etwa 25 Betrieben in Deutschland, die diese Zulassung erhalten haben. 
 

Wichtiger Baustein im Recyclingprozess von Kunststoff sind so sogenannte „Hot Washed Flakes“, die durch einen mehrstufigen Reinigungsprozess von Verunreinigungen wie Kleberresten und Getränkerückständen befreit werden. Dieser Prozess allein genügt jedoch nicht für den Einsatz der Flakes zur Produktion von Folien und Verpackungen mit Lebensmittelkontakt. Zusätzlich ist eine Dekontamination durch spezielle Erwärmungsprozesse erforderlich. Fernholz Verpackungen darf mit der Zulassung nun am Standort in Meinerzhagen eine Recyclinganlage betreiben, die „Hot Washed Flakes“ in Flakes für die Produktion von Folien und Verpackungen für den direkten Lebensmittelkontakt aufbereitet. „Diese EU-Zulassung ist ein Meilenstein für unser Unternehmen und bestätigt unseren nachhaltigen Innovationskurs“, erklärt Michael Roth, Geschäftsführer von Fernholz. „Wir setzen auf eine ressourcenschonende Produktion und wollen aktiv dazu beitragen, die Kreislaufwirtschaft in der Verpackungsindustrie weiterzuentwickeln.“

Auch Greiner Packaging setzt auf den steigenden Bedarf nach rPET und hat im Herbst 2022 sein erstes PET-Recyclingwerk in Serbien gekauft. Unter dem Namen Greiner Recycling bietet das Unternehmen seither rPET-Flakes in unterschiedlichen Reinheitsstufen an, die Kunden von Greiner Packaging zur Verfügung stehen. 

 

Von Anna Ntemiris, Redakteurin