Süßwarenverband: Verpackungsverordnung bedroht Saisonprodukte
25.03.2024 Retail Brands Industry Look into Europe Artikel

Süßwarenverband: Verpackungsverordnung bedroht Saisonprodukte

Kommt mit der neuen Verordnung aus Brüssel das Aus für beliebte saisonale Süßwaren mit besonderen Verpackungen oder Verzierungen? Die Süßwarenindustrie ist besorgt. Markenhersteller wie Nestlé verweisen auf die Marketingfunktion des Packaging sowie auf Traditionen bei Süßwaren an Festtagen.

Verpackung der Marke Smarties mit Smarties auf einem Tablett. Die Süßwarenbranche stellt ihre Verpackungen nachhaltiger auf. Nestlé hat zum Beispiel die Verpackung der Marke Smarties auf Papier umgestellt. Saisonale Produkte mit besonderen Verzierungen sind nach Ansicht des Deutschen Süßwarenverbands aufgrund der Regularien in Gefahr.
Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. (BDSI) hat sich äußerst besorgt gezeigt, dass die Pläne der EU zur künftigen Gestaltung von Verpackungen das Aus für beliebte Saisonsüßwaren wie zum Beispiel Pralinenschachteln in Herzform oder den Schoko-Weihnachtsmann mit Verzierungen wie Schleifen, Schals oder Hüten bedeuten könnte.
Verpackungsexperte Dr. Christian Detrois von Nestlé spricht beim Deutschen Verpackungskongress. Verpackungsexperte Dr. Christian Detrois von Nestlé berichtete beim Deutschen Verpackungskongress des dvi über die Nachhaltigkeits-Agenda des Lebensmittelkonzerns.
Im Entwurf der Packaging & Packaging Waste Regulation (PPWR) wurde bereits deutlich, dass künftig die Minimierung der Verpackung im Vordergrund stehen soll. Anders als das EU-Parlament sah die Position des Europäischen Rates jedoch keine Ausnahmen für saisonale Produkte oder Geschenkverpackungen vor, die von Verbraucherinnen und Verbrauchern bereits seit vielen Jahrzehnten geschätzt und stark nachgefragt werden. Ausnahmen für eine verpflichtende Verpackungsminimierung sind derzeit nur für Produkte mit Marken- bzw. Designschutz vorgesehen. Doch insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen könnten wegen des erheblichen Kosten- und auch Administrationsaufwandes nicht für jedes ihrer Produkte den entsprechenden Marken- bzw. Designschutz beantragen, erklärt der Süßwarenverband, zudem Hersteller von salzigen und süßen Snacks gehören.

Wenn die Schleife ausbleibt

„Durch das Weglassen zum Beispiel einer Schleife geht die Geschenkeignung eines Produktes verloren. Denn gerade diese Art der Ausgestaltung macht viele beliebte Produkte einzigartig. So sind zum Beispiel die Glocke oder die Schleife bei einem Osterhasen beziehungsweise Weihnachtsmann oder ein kleiner Tannenbaum bei einem Schokoschneemann unverwechselbare Eigenschaften, die den Mehrwert in der Verbrauchererwartung ausmachen. Eine besondere Aufmachung einer Pralinenschachtel wäre nach den Plänen des EU-Rates nicht mehr möglich“, erläutert Dr. Carsten Bernoth, Hauptgeschäftsführer des BDSI.

Der BDSI unterstützt deshalb nachdrücklich die Position des EU-Parlamentes, das neben der reinen Schutzfunktion einer Verpackung auch die besondere Gestaltung für spezielle Anlässe berücksichtigt. Ohne Berücksichtigung der Verbraucherakzeptanz und der Funktion der Verpackung würden Geschenk- und Saisonverpackungen durch Wegfall von Verpackungsbestandteilen ihre besondere und von Verbraucherinnen und Verbrauchern geschätzte Gestaltung verlieren.

Nach der vorläufigen Einigung zwischen dem Rat der EU und dem Europaparlament zur geplanten EU-Verpackungsverordnung (PPWR) haben viele Verbände der Verpackungsindustrie Lob und Kritik geäußert. Die meisten Experten betonen, dass eine detaillierte Analyse des Kompromisses aktuell nicht möglich sei, bevor der Text vollständig vorliege. Auch der Bundesverband der Süßwarenindustrie wollte sich auf Anfrage von FACHPACK360° über die Pressemitteilung vom Februar hinaus nicht konkreter äußern.

Tradition und Marketingfunktion

Auch auf dem Deutschen Verpackungskongress des Deutschen Verpackungsinstituts (dvi) sprach die Verpackungsbranche über das Thema PPWR und mögliche Auswirkungen auf Konsumgüter- und Lebensmittelverpackungen. Verpackungsexperte Dr. Christian Detrois von Nestlé erklärte, dass er seit mehr als 20 Jahren versuche, Verpackungen immer mehr zu reduzieren. Das Thema sei also nicht neu und durchaus im Sinne der Industrie, allerdings auch „ein zweischneidiges Schwert“. In Italien würden zum Beispiel traditionell Riesenschokoladeneier mit entsprechend üppigen Verpackungen verschenkt. „Wollen wir uns das als Gesellschaft verbieten?“, fragte Detrois die Teilnehmenden des Kongresses. Der Packaging-Experte von Nestlé erklärte außerdem, dass die Marketingfunktion einer Verpackung in dem PPWR-Entwurf keine Erwähnung gefunden habe. Aber insbesondere in der Süßwarenindustrie spiele Marketing eine große Rolle.

Nachhaltige Verpackungen spielen bei Nestlé eine große Rolle, so Detrois. Das beginne bei Papierverpackungen wie zum Beispiel der Verpackung von Smarties. Allerdings seien Papierverpackungen bei sensiblen Lebensmitteln nur bedingt die bessere Wahl, ergänzte er. Ein Kunststoff mit hoher Komplexität, idealerweise PP oder nur PE mit entsprechender Metallisierung als Barriere, sei oft die geeignete Lösung, um frühzeitigen Verderb von Lebensmitteln zu vermeiden. Allerdings könnten die gängigen Verpackungsmaschinen mit dem neuen Laminat nicht so gut umgehen. Maschinen müssten neu gekauft werden oder ein entsprechendes Upgrade erfahren. „Das ist ein Riesending, was wir drehen“, so der Experte. Und auch die Forderung nach mehr Rezyklateinsatz sei in der Praxis nicht so einfach umzusetzen, wie gemeinhin gedacht werde. Dem vermehrten Einsatz an Rezyklaten stünden oft Engpässe im Angebot gegenüber.