Familienunternehmen mit großer Wirkung im E-Commerce
12.03.2024 Insights Frauen in der Verpackungsindustrie Interview

Familienunternehmen mit großer Wirkung im E-Commerce

Die TV-Sendung „Höhle der Löwen“ machte den Weg frei: Michelle Reed und ihr Partner Philip Bondulich sind Gründer des Start-up sendmepack. Die 38-jährige Firmenchefin will in diesem Jahr die Digitalisierung ihres Mehrwegsystems vorantreiben.

Michelle Reed, sendmepack GmbH. Michelle Reed ist Co-Gründerin und Gesellschafterin der sendmepack GmbH.

Die beiden Kinder sind in der Kita, der Bürotag kann für Michelle Reed beginnen. Pausen kennt die Berlinerin, die in ihrem zweiten Heimatland Florida aufgewachsen ist, nicht. „Seit wir 2021 sendmepack gegründet haben, ist rund um die Uhr Arbeit da“, sagt die 38-jährige Start-up-Gründerin. „Wir“ sind Michelle Reed und ihr Lebenspartner Philip Bondulich. Die beiden Jungunternehmer haben ein Mehrwegsystem für Einwegkartons im E-Commerce entwickelt, die sonst im Altpapier gelandet wären. „Wir retten diese Kartons“, sagt Reed. In Deutschland werden pro Jahr mehr als vier Milliarden Pakete versendet – und die allermeisten davon anschließend weggeworfen, kommen bestenfalls in den Recyclingprozess. Sendmepack arbeitet mit großen Logistikpartnern zusammen, um intakte Versandverpackungen abzukaufen, die sie anschließend unter der Marke sendmepack als eine Versandalternative für Unternehmen anbieten. Das Start-up greift im wörtlichen Sinne bei den Logistikern die Umverpackungen ab, die sonst im Müll landen würden. Die seien zwar gebraucht, aber wie neu. Die Kartons bekommen ein Reuse Label inklusive QR-Code zum Tracken. Von dort aus gehen sie zu Onlineshops und Versandhändlern.

TV-Sendung pushte

Noch bevor das Paar in der TV-Sendung „Höhle der Löwen“ vor zwei Jahren erfolgreich prominente Investoren wie Carsten Maschmeyer gefunden hatte, waren bereits die Auftragsanfragen schneller als erwartet gekommen, erzählt Reed im Gespräch mit FACHPACK360°. „Auf einmal rief ein großer Elektronikkonzern und fragte, ob wir eine halbe Million Kartons liefern können. Das konnten wir natürlich nicht. Aber die Anfrage war so ermutigend, die positiven Reaktionen aus der Industrie trieben uns an“, erzählt die Medienökonomin, die früher ein eigenes Accessoires-Label betrieb.

Refurbish für große Marken

Für große Marken und Händler wie zum Beispiel Outfittery bietet sendmepack ein Lizenzierungsmodell an, mit dem die Kundenkartons aufbereitet werden,  sodass sie wiederverwendet werden können. Ihre Mitarbeiter sind als Dienstleister im Retourenmanagement der Onlinehändler vor Ort. Im Schnitt könne ein Paket 3 bis 5 mal verwendet werden, Ziel sei eine höhere Umlaufquote. Den Kantenschutz könne man zum Beispiel noch optimieren, streut Reed beiläufig ein. Auch wenn sie viel über Marken und Marketing zu erzählen weiß, so ist ihr jedes technische Detail bekannt. Zahlen spielen ebenfalls eine große Rolle, da gibt es die hohen Investitionen von außen, die vielen Aufträge und die Ökobilanzen. Das inzwischen zehnköpfige Unternehmen errechnet mithilfe eines eigens hergestellten Dashboards für die Kunden die CO2-Ersparnisse, die diese mithilfe der alternativen Versandkartons erzielen. Man könne mittlerweile genau sagen, wie viel jeder Onlineshop durch den Umstieg auf sendmepack an CO2 einspart.

Jeder der aufgearbeiteten Kartons des Start-ups erhält einen Aufkleber mit QR-Code und eigenem Namen. Durch den QR-Code können die Kunden sehen, in welchen Städten ihr Paket schon überall war und wieviel Kohlendioxid durch die Wiederverwendung eingespart werden konnte. Das Start-up möchte die Digitalisierung in diesem Jahr weiter ausbauen. „Nachhaltigkeit geht nicht über Wirtschaftlichkeit“, sagt Reed. Sie habe mittlerweile 450 Onlineshops als Kunden, die alle auf Effizienz und gute Logistik setzten.

Eigene Kartons im Umlauf

Neuerdings hat sendmepack ein weiteres Standbein und stellt selbst Kartonverpackungen her – Industriepartner ist dabei Thimm Verpackungen. Diese neuen Kartons werden über Digitaldruck mit dem besagten QR-Code ausgestattet. Die Kunden erhalten Zugang zu ihrem eigenen Dashboard, können damit Einblicke zur CO2-Einsparung erhalten, aber auch unter anderem erfahren, wo sich die Kartons gerade befinden oder wie oft sie wiederverwendet werden. „Wir können in geschlossenen Kreisläufen, bei hohen Retourenquoten bis zu 70 Prozent Kostenersparnis hervorbringen", sagt Reed. Das freue die CFOS und Geschäftsführungen besonders, denn neben dem Nachhaltigkeitsaspekt sei die ökonomische Dimension ebenfalls wichtig.

„Wir waren der Zeit voraus. Mehrwegsysteme sind im Kommen. Noch sind die Quoten zu gering, aber der Bedarf wird wachsen. Echte Kreislaufwirtschaft funktioniert auch nur, wenn sie ökonomisch sinnvoll ist“, sagt Reed. Als Sprachrohr des Unternehmens, als Frau in der „männerdominierten Branche“ ist sie inzwischen auch gefragte Referentin für Themen rund um Green Marketing, New Work und Kreislaufwirtschaft. „Jede Frau, die nicht sichtbar ist, ist ein fehlendes Vorbild. Es braucht mehr weibliche Vorbilder an der Spitze der Verpackungsindustrie“, sagt Reed.

Sendmepack ist auch Aussteller auf der FACHPACK24.