Plastikabgabe wird zur Monsteraufgabe
03.03.2024 Industry Insights Artikel

Plastikabgabe wird zur Monsteraufgabe

Seit 2021 entrichtet Deutschland erhebliche Summen für nicht recycelten Kunststoffmüll an die EU. Diese Kosten sollen ab 2025 auf die Hersteller umgelegt werden. Doch die Umsetzung und die Wirksamkeit einer Plastiksteuer werfen Fragen.

Verschiedene leere Plastikverpackungen Die Umlegung der Kosten der EU-Plastikabgabe auf die Verursacher entspricht einer Praxis, die teilweise auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten verfolgt wird.

Seit dem Jahr 2021 müssen die EU Mitgliedsstaaten eine Abgabe für nicht recycelten Kunststoffabfall an Brüssel zahlen. Diese Plastikabgabe beläuft sich auf 80 Cent je Kilogramm. Infolgedessen hat Deutschland im Zeitraum 2021 bis 2022 insgesamt rund 1,4 Milliarden Euro an die Europäische Union entrichtet. Obwohl die Möglichkeit besteht, diese Kosten auf die Industrie zu übertragen, ist dies in Deutschland nicht verpflichtend geschehen. Vor diesem Hintergrund strebt die Bundesregierung an, eine nationale Plastiksteuer einzuführen, um die bisher von der Allgemeinheit getragenen Kosten direkt den Herstellern aufzuerlegen. Diese neue Steuer soll ab dem 1. Januar 2025 in Kraft treten, wie die Regierung in einer Pressemitteilung vom 4. Januar 2024 ankündigte. Die Einführung der Abgabe war ursprünglich früher geplant, jedoch erklärte ein Regierungssprecher, dass eine Verschiebung notwendig gewesen sei, um eine effiziente und möglichst wenig bürokratische Umsetzung sicherzustellen.

Die für 2024 geplante Umsetzung der Plastiksteuer wurde zuvor von mehreren Verbänden scharf kritisiert. So stellt sich für die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen die Frage, wer mit „Hersteller“ eigentlich gemeint sei. „Das ist noch gar nicht beantwortet – wie so vieles bei dieser angekündigten und dann verschobenen Plastiksteuer“, meint Mara Hancker, Geschäftsführerin Kommunikation bei der IK. Grundsätzlich begrüßte der Verband zwar eine Regulierung, die sinnvolle Leitplanken zur Transformation der Industrie Richtung Kreislaufwirtschaft und CO2-Reduktion gestaltet. „Einseitige Regeln und Verbote nur für oder gegen Kunststoff halten wir jedoch für einen gefährlichen Irrweg“, so Hancker.

Die Meinungen über eine Plastic Tax sind in der Verpackungswirtschaft allerdings sehr gespalten. Naturgemäß erhoffen sich Hersteller von faserbasierten Materialen durch steigende Kosten für Kunststoffe einen höheren Marktanteil. Ziel der Plastikabgabe ist es allerdings, Unternehmen zu motivieren, weniger Plastik zu verwenden und stärker auf recycelte Kunststoffe zu setzen, um dessen Verbrauch und die damit verbundenen Umweltauswirkungen zu reduzieren. In diesem Zusammenhang warnt Sven Sängerlaub, Vorstandsvorsitzender und Regionalgruppenleiter Süd beim Verpackungsnetzwerk bdvi: „Wenn es um die Förderung ökologischerer Verpackungen geht, gibt es von verschiedenen interessierten Kreisen Zweifel, ob dies wirklich stimmig ist. Zum einen sind Kunststoffverpackungen sehr effizient, zum anderen werden Vermeidungsstrategien provoziert, die nicht unbedingt nachhaltiger sein müssen.“

 

Anreiz für besseres Recycling

Deutschland ist mit 1,7 Millionen Tonnen Verpackungsabfall aus nicht recyceltem Kunststoff Spitzenreiter im Nicht-Recyceln von Plastik. Doch die Unternehmen haben die Alarmglocken gehört und inzwischen vor allem das Lebensende ihrer Produkte in den Fokus gerückt. So wurde die Recyclingquote von Kunststoffverpackungen von 42 Prozent im Jahr 2018 auf über 67 Prozent im Jahr 2022 gesteigert. Die Recycling- und Mehrwegfähigkeit von Haushaltsverpackungen aus Kunststoff liegt bei 81 Prozent. Eine Plastikabgabe mit gleichzeitiger Förderung des Rezyklateinsatzes kann aus Sicht vieler Mitglieder des bdvi diese Entwicklung weiter fördern. „Eine Plastikabgabe führt aus dieser Sicht heraus zu einem Wettbewerbsvorteil für Kunststoff-Rezyklate, wenn diese Neuware gut ersetzen können“, erklärt Sven Sängerlaub. In seinem Verband gibt es durchaus auch kritische Stimmen, die bemängeln, „dass durch die Plastiksteuer ein hochwertiger, immer noch innovativer Werkstoff teurer wird und dies dann auf die Verbraucherpreise durchschlägt.“

Fossile Kunststoffe sind derzeit noch wesentlich günstiger als ihr recyceltes Pendant. Der Recyclingverband BVSE forderte aufgrund dieser Diskrepanz bereits staatliches Eingreifen. Jenny Walther-Thoss, Senior Consultant Sustainability beim Beratungsunternehmen B+P, kommt ebenfalls zum Schluss: „Der Preis für Fossil Virgin Material ist einfach viel zu gering – und Verpackungen müssten deutlich teuer werden, dass Verbraucher anfangen, diese wertzuschätzen.“

 

Greift die Plastic Tax in anderen Ländern?

Die Umlegung der Kosten der EU-Plastikabgabe auf die Verursacher, sprich die Plastikproduzenten, entspricht einer Praxis, die teilweise auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten verfolgt wird. „Bis jetzt hat Großbritannien und Spanien eine dedizierte Plastic Tax aufgelegt, Italien schiebt die Einführung des Gesetztes immer wieder auf – aktueller Termin ist der 01. Juli 2024“, erläutert Jenny Walther-Thoss und ergänzt: „Die Plastik Tax in Großbritannien und in Spanien hat nicht zu den gewünschten Effekten geführt, da Prüf und Sanktionsansätze völlig unzureichend sind und der Preis der Steuer immer noch nicht ausreicht, um den Einsatz von Rezyklaten ökonomisch sinnvoll zu vertreten.“

Hinzu kommt, dass die Unterschiedlichkeit der Vorschriften in jedem EU-Mitgliedsland sowie in Staaten außerhalb der EU es für Unternehmen kompliziert macht, den Anforderungen der Plastiksteuer gerecht zu werden. „Grundsätzlich ist es für alle Firmen eine deutliche Belastung, sich mit einzelnen Systemen in unterschiedlichen Ländern auseinanderzusetzen – für kleine noch mehr als für große. Ich denke, Firmen würden eine höhere Steuer in Kauf nehmen, wenn es nur ein System für die ganze EU gäbe und es klare Kontroll- und Sanktionsmechanismen gäbe“, so Jenny Walther-Thoss. Hier wäre nach ihrer Auffassung eine klare Bevorzugung von Mehrweg oder voll recyclingfähigen Verpackungen ohne eine Diskriminierung von Kunststoffen per se sinnvoll.

Letzteres sieht der Kunststoffverband IK ähnlich und will sich weiter für eine materialneutrale Regelung starkmachen. „Im Gegensatz zu einer Plastiksteuer hätte eine materialneutrale Abgabe basierend auf ökologischen Kriterien eine wesentlich bessere Lenkungswirkung“, so Mara Hancker. Zu diesem Schluss kommt auch eine aktuelle Studie im Auftrag des Umweltbundesamts. Sie bewertet die Wahrscheinlichkeit einer ökologischen Fehllenkung durch eine Verringerung des Kunststoffeinsatzes als hoch. Ökologisch zielgerichteter wäre demgegenüber eine materialneutrale Lenkung zur Reduzierung des Materialeinsatzes in Verpackungen, zur Reduzierung der CO2-Emissionen oder zur Steigerung der Recyclingfähigkeit.