Branding neu gedacht: Verpackungsdesign im Wandel
02.02.2024 Design New Paths Artikel

Branding neu gedacht: Verpackungsdesign im Wandel

Die neuesten Trends und Innovationen im Verpackungsdesign werden auch dieses Jahr wieder auf der FACHPACK zu sehen sein. Henning Schmidt, Geschäftsführer vom Honeypot Designstudio der taste GmbH, wirft bereits heute einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen.

Ein Gastbeitrag von Henning Schmidt

Branding der Marke Leicht und Cross für eine neue Produktkategorie im Snackregal Branding der Marke Leicht und Cross für eine neue Produktkategorie im Snackregal
Zeiten der Krisen und Zeiten der Veränderung haben direkten Einfluss auf unsere Wahrnehmung und damit auch auf Verpackungen – die Hülle all dessen, was wir konsumieren. Der Schutz der Ware steht nicht allein im Fokus; Verpackung ist mehr, ist Kommunikation, ist Statement und bildet die Trends unserer Gesellschaft ab. Symbolbilder von Verpackungsbergen prägen Ressentiments beim Verbraucher; doch ist Verpackung besser als ihr Ruf. Der Wandel ist hier vollends angekommen, sei es bei der Auswahl der Materialien, der Kreislaufwirtschaft oder beim konkreten Packaging Design. 

Folgende Trends sind heute sichtbar in den Regalen:

1. Kategorie-Codes brechen

Start-ups und internationale Labels wie Oatly verändern die Sehgewohnheiten der deutschen Konsumenten. Losgelöst von Codes wie Milch-Splashes und grünen Weiden stehen hier trendige Designs in den Regalen, die im Umfeld vom Verbraucher erkannt werden.

Die Craft Beer Welle ist ein eindeutiger Beleg. Das neue Bier tritt wild auf in Typografie, Naming und Gebinde und ignoriert seit Jahren die Codes des etablierten Biermarktes. Auch wenn der Absatz der Craft Biere gering scheint, haben sie die grafischen Regeln gebrochen und einen erkennbaren Einfluss auf jeden Relaunch der etablierten Biermarken.

Gustavo Gusto verzichtet ganz auf die gelernten Codes der Tiefkühlpizza und inszeniert den weißen Karton fast als Street-Art-Panel. Mit lustigen Sprüchen und menschelnder Typografie vermittelt man die Andersartigkeit der Kategorie und erschließt neue Zielgruppen.  Wichtig bei diesem Konzept: Nur wer die Codes kennt und versteht, kann sie smart brechen. 

Hand mit zwei Flaschen alkoholfreier Getränke Etiketten auf Tresterpapier der Marke WINU für Winade und NuSpritz

2. Branding ist König

Eine Brand schafft Orientierung und Sicherheit beim Konsumenten und ist in unsicheren Zeiten ein wichtiger Anker. Stark gebrandete Packagings halten die Sortimente zusammen und lassen ein Bigger-than-Life zu, wie bei der Brand Kellogg‘s, welche so gelernt ist, dass sie die Brand-Typografie sogar in den Anschnitt setzt, um darunter souveräne Produktmarken zu spielen. Auch bei Heineken erkennt man zum Teil nur noch 50% des Markennamens auf dem Sixpack, ohne dass die Brand verloren geht.

Die Vereinheitlichung von Gebinden lässt ein Brand Asset verschwinden – also „Make the Branding bigger“. Konsistenz in Typografie, Logo und Farbe ist die Basis für ein starkes Branding und ermöglicht einen spielerischen und spannenden Umgang

3. Die neue Reduktion

In den letzten Jahren wurde ein Packaging Design am Shelf Impact gemessen, der Impuls am Regal. Das hatte zur Folge, dass viele Verkaufsargumente in Form von Siegeln und Werbebotschaften auf dem Facing stattfanden.  Seit man aber Lebensmittel wie flinke Gorillaz mit dem Daumen zu sich nach Hause bestellen kann, scheinen diese Informationen obsolet. Der Packshot in der App ist deutlich kleiner als das Produkt im Regal, zweit und dritt Botschaften kaum zu erkennen. Hier müssen Branding und Produkt gut erkennbar sein. Die Reduktion ist ein logischer Trend, wenn eine Brand im e-Commerce und im Regal funktionieren muss. Neue Reduktion für mehr Eindeutigkeit und Branding.

4. Individuelle Nachhaltigkeit

Der Dschungel der Nachhaltigkeit, beflügelt von Whataboutisem der Verbraucher, wird immer unübersichtlicher und das aus Gründen. Keine Produktkategorie funktioniert in der Nachhaltigkeitstransformation wie die andere. Bei manchen Produkten ist Mehrweg die richtige Wahl, bei anderen die Materialreduktion (wie es gerade die Sektkelterer vollzogen haben) oder Verwendung alternativer Materialien. Zu starkes Betonen dieser Transformation wurde schon häufig vom Konsumenten als Greenwashing abgestraft.

Jede Kategorie muss einzeln betrachtet werden und ihren eigenen Weg der Nachhaltigkeit finden. Der Mehrweg ist bestimmt spannend und beim Verbraucher tief verankert, als Usprungsland der harten Währung einer „Kiste Bier“. Mehrweg ist dann aber nur ein Weg und muss in jeder Kategorie betrachtet werden. Das Design einer Verpackung muss um einen individuellen Weg ringen und das sollte sich auch später im Design authentisch widerspiegeln.

Paper Craft des Start-Ups Brizza für eine innovative Brezelpizza Paper Craft des Start-Ups Brizza für eine innovative Brezelpizza

5. Gefühlte Natürlichkeit

Der Wunsch des Verbrauchers nach nachhaltigen Materialien ist unbestreitbar. Damit konnotiert ist meistens Papier, also faserbasierte Materialien.

Diesen Konsumentenwunsch setzen schon viele Brands um, da erscheint schon mal die Zahncreme von Odol im Paper-Look und nicht mehr im metallisch veredelten White-Look.
Ob der CO2-Fußabdruck sich hier verringert, ist immer individuell zu bewerten und auch häufig nicht haltbar.

Trotzdem sehen wir immer mehr papierähnliches Design, die in Kartonoptik und gelerntem Braun Natürlichkeit und Handwerklichkeit transportiert. Erkennbar auf dem Screen und haptisch erlebbar am Regal – die Kraft des Papiers.

Packaging Design ist wie die Verpackungsproduktion stark im Wandel. Die Codes der Kategorien wurden gebrochen und machen das Design vielfältiger in ihren grafischen Heimaten. Etabliertes Design wirkt häufig bieder und spricht keine jüngeren Zielgruppen an. Mehr Mut zum Bruch immer unter der Prämisse, dass das Design das Produkt und die Brand klar kommuniziert und das in der App oder im Regal. Erfolgreiches Packaging Design benötigt Klarheit und Branding mehr denn je. Im besten Fall bedient es durch die Materialauswahl den Wunsch des Konsumenten. Bei allem Wandel – ohne eine Eindeutigkeit im Design geht nichts.