Glaskrise: Hersteller beklagen Lieferengpässe
01.03.2023 Brands Artikel

Glaskrise: Hersteller beklagen Lieferengpässe

Flaschen und Gläser sind derzeit Mangelware. Die Lage auf dem Glasmarkt ist angespannt. Quer durch alle Branchen beklagen Hersteller Lieferengpässe, Preiserhöhungen und Vertragsanpassungen.

Preise für Behälterglas bleiben auf hohem Niveau. Lieferengpässe bei Flaschen und Gläser: Die Preise bleiben auf hohem Niveau.

Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine vor mehr als einem Jahr hat sich das Angebot an Behälterglas in Deutschland und Europa verändert. Zusätzlich wirken sich die hohen Energiekosten auf die Glaspreise aus. Die über Jahrzehnte gewohnte Preisstabilität ist aus dem Gleichgewicht geraten, die Sorge vor Engpässen bei Flaschen und Gläsern wächst. „Wir hoffen noch auf eine Beruhigung des Marktes“, sagt ein Sprecher des Molkereikonzerns DMK gegenüber der Lebensmittelzeitung. Für das erste Quartal 2023 sei dies jedoch noch nicht eingetreten. 

Die Kostenexplosion bei Behälterglas trifft die unterschiedlichsten Unternehmen: Hersteller von Marmeladen, Getränken wie Sekt, Bier oder Mineralwasser, Babynahrung oder Kosmetik. Preiserhöhungen von bis zu 50 Prozent sind trotz laufender Verträge an der Tagesordnung. „Bestehende Verträge werden einfach gekündigt“, sagt der Chef eines Familienunternehmens gegenüber der Lebensmittelzeitung. „Da sind wir praktisch machtlos.“ Trotz laufender Verträge seien Nachforderungen von bis zu 40 Prozent gestellt worden, bestätigt ein Vertriebsmanager. Dabei gäbe es so gut wie keine Bereitschaft, entsprechende Indizes für die Teuerung transparent zu vereinbaren. „Das ist ein absolutes Preisdiktat nach dem Motto friss oder stirb". Es komme zu regelrechten Machtproben, heißt es in der Branche, bei denen Glaslieferanten unverhohlen mit Lieferstopp drohten, falls die geforderten Preiserhöhungen nicht akzeptiert würden. 

Preisanstieg bei Sektflaschen

Dem Spirituosenhersteller Berentzen liegen laut Lebensmittelzeitung bisher keine Vertragskündigungen vor. „Wir wissen aber, dass die Glashütten bei Nichtannahme von Preiserhöhungen die Lieferungen einstellen müssen“, sagt Berentzen-Vorstandschef Oliver Schwegmann. Bisher habe er keine Lieferausfälle zu beklagen, „aber es kommt schon mal vor, dass eine bestimmte Flaschenform oder Farbe nicht zum ursprünglich geplanten Termin geliefert wird“. 
Ähnlich angespannt ist die Situation bei der Sektkellerei Rotkäppchen-Mumm. Co-Geschäftsführer Frank Albers erklärt gegenüber der Lebensmittelzeitung das Rotkäppchen-Mumm der massive Kostenanstieg vor allem beim energieintensiven Glas „schnell und heftig“ getroffen habe. Eine Sektflasche koste heute doppelt so viel wie 2019. 

Und das wird sich so schnell nicht ändern. Im Januar habe das Preisniveau beim Glashersteller Wiegand rund 50 Prozent über dem Vorjahresmonat gelegen, sagt Nikolaus Wiegand, Geschäftsführer von Wiegand-Glas, im Interview mit der Lebensmittelzeitung. Und: „Die Versorgung ist nach wie vor angespannt und wird es bleiben.“ Rund drei Milliarden Glasbehälter, vor allem Flaschen für die Getränkeindustrie, stellt Wiegand-Glas her. „Wir haben im vergangenen Jahr in bestehende Verträge eingegriffen. Aber weder willkürlich noch intransparent. Wir haben die Entwicklung der Energiepreise von Monat zu Monat offen gelegt und flexible Preismodelle angeboten, die sich an den Börsenpreisen für Strom und Gas orientierten", so Nikolaus Wiegand. Bei fast allen 1000 Kunden, vornehmlich aus der Getränkeindustrie, sei man auf Verständnis und Entgegenkommen gestoßen, nur ein Kunde habe eine Klage angekündigt.

„Die Situation auf dem Glasmarkt hat sich aus unserer Sicht nur leicht entspannt“, sagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes. Zwar sei die Verfügbarkeit von Neuglas derzeit besser als im Jahr zuvor. „Wer aber kurzfristig ohne bestehenden Vertrag Mehrwegglasflaschen kaufen will, geht oft leer aus.“ Aufgrund der hohen Preise sehen sich immer mehr Brauereien gezwungen, ihre Investitionen in Neuglas zurückzufahren, so Eichele. Damit steige das Risiko, dass die saisonale Leergutknappheit, die jedes Jahr im Sommer auftritt, in diesem Jahr noch drastischer ausfallen könnte. 

Mehr Bewegungsfreiheit gibt es bei Mehrwegglas. Die Mitglieder des Mehrweg-Pools Gemema, zu denen etwa Radeberger, Bitburger, Krombacher und Warsteiner gehören, haben die jährliche Quotenpflicht von 6 Prozent Neuglas schon vor rund einem Jahr ausgesetzt. „Kein Poolmitglied sollte gezwungen sein, über eine Quote die Preise zu treiben,“ sagt Gemema-Geschäftsführer Hans Baxmeier. „Die Quote ist nach wie vor ausgesetzt.“ Grundsätzlich sieht Baxmeier in den standardisierten Poolflaschen, die bei verschiedenen Glashütten bestellt werden können, „einen besseren Schutz vor Engpässen und eine Entlastung des Marktes“ als in individuellen Flaschen.

Die BrauBeviale, eine der führenden Investitionsgütermessen für die Getränkeindustrie, findet vom 28.- 30. November 2023 im Nürnberger Messezentrum statt. Die Vorbereitungen haben bereits begonnen. Die Messe geht nach pandemiebedingter Pause mit neuem Markenauftritt an den Start. "Das Wir verbindet Vielfalt" lautet das Motto.