„Marken müssen Beweise für Versprechen erbringen“
Im Interview gibt Dr. Benjam Punchard, Global Packaging Insights Director bei Mintel, Tipps zur besseren Kommunikation mithilfe von Verpackungen. Er rät auch dazu, Verpackungen mit Informationen über den Energieverbrauch des Produkts zu versehen.
Transparent sein und Position beziehen: Diese Aufforderung an die Markenhersteller ist nicht ganz neu. Warum ist Sie Ihrer Ansicht, im Jahr 2023 so wichtig?
Wollten Verbraucherinnen und Verbraucher früher lediglich wissen, ob ein Produkt von guter Qualität und möglicherweise umweltfreundlich ist, erwarten sie heute viel mehr von den Marken und Produkten, die sie kaufen. Neben den erwähnten Attributen sollen jene nicht mehr nur rein ihre Bedürfnisse erfüllen, sondern auch mit ihren ethischen Werten übereinstimmen. Dafür reichen allgemeine Angaben und Auslobungen auf den Verpackungen nicht mehr aus. Dem „Sustainability and Consumers“-Bericht von Mintel zufolge trauen mehr als die Hälfte (54 Prozent) der deutschen Erwachsenen Unternehmen nicht zu, ehrlich über ihre Umweltauswirkungen zu berichten. Der Vorwurf: Greenwashing. In jüngster Zeit haben sich Pink- und Rainbow Washing dazugesellt. In diesem harten – und ziemlich zynischen – Markt müssen Marken mehr denn je, Beweise für ihre Versprechen erbringen. Das hat Firmen dazu veranlasst, Auslobungen und Claims auf den Verpackungen mit Fakten, also „Proof Points“, zu untermauern.
Aber im Ernst: Wird der Wodkakonsument wirklich sein Smartphone zücken, um das Produkt rückverfolgen zu können? (Wodka ist ein Beispiel in der Studie.)
Dass wir unser Handy zücken, um etwas nachzuschlagen, ist heute eine Selbstverständlichkeit. Unternehmen können und sollten sich dieses Verhalten zunutze machen. Ein gut platzierter und gut ausgeschilderter QR-Code stellt die Verbindung zwischen Verpackung, Verbraucher und Marke her. QR-Codes sind vielleicht nicht in jedem Fall die richtige Technologie, aber ihre weit verbreitete Verwendung während der Corona-Pandemie hat sie den meisten Menschen bekannt und zugänglich gemacht. Der Schlüssel liegt darin, sich auf die Bedürfnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher und nicht auf die eigene Marke zu konzentrieren.
Wenn Sie mehr Informationen über Ihre Umweltmaßnahmen versprechen, dann stellen Sie sicher, dass diese Informationen das erste sind, was die Konsumentinnen sehen, – und zwar in einer klaren und leicht zu verstehenden Form und Sprache. Verbraucher reagieren am besten auf greifbare Informationen, die sie sehen und hören können. Zeigen Sie ihnen zuerst, welche Maßnahmen Sie ergriffen haben, bevor sie deren Ergebnis vermarkten.
Mintel empfiehlt Unternehmen darüber hinaus auch den Energieverbrauch eines Produkts zu berücksichtigen und Verpackungen mit entsprechenden Informationen anzubieten. Das ist doch ein enormer Aufwand, oder?
Spätestens seit dem vergangenen Jahr ist die Energieversorgung ist zu einem wichtigen Gesprächsthema geworden. Mit der Energiekrise geht auch die Sorge um das Klima einher; beide Faktoren haben die Aufmerksamkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher auf ihren Energieverbrauch im Haushalt gelenkt. Das haben auch Gerätehersteller und Einzelhändler für ihre Kommunikationsmaßnahmen erkannt. So stellen diese nicht mehr nur Energieeffizienz und Sparfunktionen heraus, sondern geben den Konsumenten gleich energiesparende Konzepte mit auf den Weg. In der Küche erlebt die Mikrowelle eine Renaissance, und auch die Fritteuse wird immer beliebter: beide haben einen geringeren Energieverbrauch als der herkömmliche Backofen.
Wie können Unternehmen und Marken auf diesen Trend reagieren?
In der Lebensmittelbranche haben wir beobachtet, dass Marken ihre Zubereitungsinformationen auf die Mikrowelle oder die Heißluftfritteuse ausdehnen. Doch das ist nicht immer einfach oder möglich, da zum Beispiel die Ausgaben für die Umstellung auf ein mikrowellengeeignetes Tablett potenziell die Kosten in die Höhe treiben können. Die Bereitstellung von Kochanleitungen, die die optimale Nutzung des Ofens bewerben (z. B. durch die Angabe der Kochzeit) und Tipps zur Nutzung der Ofenrestwärme können sich als nützlich erweisen. Nette Alternativen stellen Informationen oder eine Temperaturanzeige auf der Verpackung dar, um die Temperatur des Kühlschranks zu optimieren.
Wäschepflegeprodukte, die den Wasserverbrauch minimieren, indem sie zum Beispiel die Notwendigkeit einer Vorwäsche überflüssig machen, sind weitere Beispiele für neue Verpackungsinformationen zur Energieeinsparung.
Aktuell scheint es, als ob Unternehmen und Marken noch zögerlich in Verpackungsmaterialien investieren, die eine energiesparende Zubereitung erleichtern. Die Energiekrise mag zwar irgendwann – wir hoffen es inständig – ein Ende nehmen. Unseren Mintel-Studien entnehmen wir jedoch, dass Kaufentscheidungen zunehmend von der Sorge um den Klimawandel beeinflusst werden. Somit werden wir uns auch bei den Verpackungen langfristig mit dem Thema Energieeffizenz beschäftigen müssen.
Zur Person:
Dr. Benjamin Punchard verfügt über einen Erfahrungsschatz von über 20 Jahren in der Verpackungsindustrie. Seit 2012 ist er bei Mintel tätig und verantwortet in seiner derzeitigen Position als Global Packaging Insights Director die Erstellung und Bereitstellung von Insights zur Verpackungsindustrie.