Wie gelingt nachhaltige Verpackungsentwicklung unter echten Marktbedingungen? Bei WOMEN4PACKAGING auf der FACHPACK 2025 gaben Vanessa Büning (Packaging Development Manager) und Jasmin Duensing (Teamleader New Materials & Capsules) von Tchibo darauf klare Antworten. Mit langer Erfahrung aus F&E und Verpackungsentwicklung zeigten sie, wie sich Kaffeeverpackungen Schritt für Schritt an die Anforderungen der Kreislaufwirtschaft und der PPWR-Regulierung anpassen lassen. Ihre Einblicke machten deutlich: Wenn Expertise geteilt wird, entstehen Lösungen, die die gesamte Branche voranbringen.
Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht ein Frauennetzwerk wie WOMEN4PACKAGING für die Verpackungsbranche – und welche Bedeutung hat es für Sie persönlich?
Jasmin Duensing: Für mich ist es eine große Bereicherung für die Branche. Ich finde, es ist immer sinnvoll, sich auszutauschen – gerade wir Frauen, besonders im technischen Bereich. Der Dialog bei WOMEN4PACKAGING geht oft auch ein Stück tiefer als in anderen Netzwerken. Außerdem bietet WOMEN4PACKAGING gerade den Frauen eine Plattform, die sich in größeren Gremien vielleicht weniger trauen würden, sich einzubringen oder Fragen zu stellen. Es bietet einen geschützten Raum, in dem man sich offen austauschen kann.
Frau Büning, wie haben Sie das nach der letzten Veranstaltung empfunden?
Vanessa Büning: Im Grunde kann ich mich da nur anschließen: Der Austausch war sehr offen. Wirklich jede und jeder ist willkommen und man hat das Gefühl, mit allen unkompliziert ins Gespräch kommen zu können. Oft ergaben sich dabei Schnittmengen mit Teilnehmerinnern aus anderen Bereichen, mit denen man zunächst gar nicht gerechnet hätte.
Zum Beispiel?
Vanessa Büning: Die Diskussion reichte weit über den Bereich Lebensmittelverpackungen hinaus und deckten auch Themen aus dem Maschinenbau ab. Dieses Jahr fand zum Beispiel auch das Netzwerktreffen WOMEN4PROCESSING parallel statt. Dabei zeigte sich, wie stark das Netzwerk in technische Bereiche hineinwächst. Es ergaben sich viele Überschneidungen mit Themen wie KI, Systeme und Softwarelösungen, die neue Ansatzpunkte und Perspektive lieferten. Insgesamt entstand dadurch ein deutlich spürbares „Crossover“, das die Vielfalt und die Dynamik des Netzwerks ausmacht.
Konnten Sie aus dieser Verbindung von Prozess und Verpackung auch Impulse für das Thema Nachhaltigkeit mitnehmen – ein Bereich, der bei Tchibo ja eine zentrale Rolle spielt?
Vanessa Büning: Auf jeden Fall. Ohne jetzt zu tief in die fachspezifischen Details einzusteigen, sieht man gerade am Beispiel Maschine und Prozess sehr deutlich, wie eng alles zusammenhängt. Wir haben in unseren Werken bereits die Erfahrung gemacht, dass nachhaltige Materialien andere Anforderungen an die Prozesse stellen. Das bedeutet: Es reicht nicht, nur das Material anzupassen. Man muss auch in die Prozesse selbst hineingehen und prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, Abläufe nachhaltiger zu gestalten und zu verbessern.
Wie fügt sich die Verpackung in die Gesamtstrategie von Tchibo ein, Kaffee als nachhaltiges und faires Produkt zu positionieren? Welchen Stellenwert hat die Verpackung dabei für Sie?
Jasmin Duensing: Nachhaltigkeit hat bei uns im Unternehmen grundsätzlich einen sehr hohen Stellenwert und ist seit 2006 fest in unseren Werten verankert. Verpackungen – insbesondere die Kaffeeverpackungen, aber auch die aller anderen Produkte – sind ein wesentlicher Bestandteil dieser Strategie. Wir möchten nach außen zeigen, dass nicht nur der Kaffee selbst, sondern auch seine Verpackung Teil eines ganzheitlich nachhaltigen Ansatzes ist.
Und wie sieht es beim Kaffee in Multimaterialverpackungen aus? Da ist es ja nicht ganz so leicht, Produktschutz und Nachhaltigkeit zusammenzubringen.
Vanessa Büning: Das stimmt, gerade bei Kaffee ist das eine besondere Herausforderung. Kaffee ist – wie Sie schon angedeutet haben – ein hochwertiges Genussmittel. Es ist zwar nicht unmittelbar verderblich, aber die Frische und das Aroma stehen absolut im Fokus. Deshalb hat der Produktschutz für uns höchste Priorität.
Trotzdem ist es uns gelungen, seit 2023 erste Formate auf recyclingfähige Lösungen umzustellen. Der klassische Standard, den man bei Kaffeeverpackungen kennt, war nicht recyclingfähig. Inzwischen gibt es Alternativen, und wir gehören zu den ersten, die diese Umstellung in Angriff genommen haben – bei gleichbleibend hoher Qualität. Wir haben strenge Qualitätsanforderungen, führen Lagertests, Verkostungen und weitere Prüfungen durch. Und wir können nachweisen, dass die neue Verpackung den Kaffee genauso zuverlässig schützt.
Worauf liegt in den nächsten Jahren der Fokus?
Jasmin Duensing: Bei der Recyclingfähigkeit sind wir auf einem sehr guten Weg und werden weiter daran arbeiten. Besonders bei Kapseln sind wir schon weit. Jetzt geht es stärker um das Thema Recycling at Scale: Wie sind die Sortiermaschinen in Deutschland tatsächlich aufgestellt? Und was passiert in der EU? Deutschland steht vergleichsweise gut da, aber die Anforderungen anderer Länder unterscheiden sich – und unsere Verpackungen müssen überall funktionieren. Das wird uns definitiv vor Herausforderungen stellen. Parallel arbeiten wir natürlich weiter an Materialreduktion, ohne den Produktschutz zu gefährden.
Und Sie persönlich – was begeistert Sie an Ihrer täglichen Arbeit daran, an dieser Transformation mitzuwirken? Was motiviert Sie?
Vanessa Büning: Verpackung ist ein unglaublich dynamisches Feld – das begeistert mich jeden Tag aufs Neue. Es wird nie langweilig, weil sich Rahmenbedingungen ständig verändern. Aktuell stehen Nachhaltigkeit und die PPWR im Vordergrund, und das wird uns auch noch lange begleiten. Man fängt relativ oberflächlich an – etwa mit der Frage: „Was bedeutet überhaupt Recyclingfähigkeit?“ – und arbeitet sich dann immer tiefer hinein: Recycling at Scale, EU-Regelungen, Rezyklateinsatz und so weiter. Verpackungsentwicklung ist ein kontinuierlicher Prozess, der nie endet. Und genau das macht dieses Feld so spannend und attraktiv.
Redakteur: Alexander Stark, FACHPACK360°
