Weißblechindustrie fordert neues Kostensystem für die Entsorgung
28.02.2024 Brands Industry Look into Europe Artikel

Weißblechindustrie fordert neues Kostensystem für die Entsorgung

Thyssenkrupp Rasselstein, einer der größten Verpackungsstahlhersteller Europas, sieht sich gegenüber den Kunststoffverpackungsproduzenten benachteiligt. Im Verhältnis zum Recyclingaufwand zahle die Weißblechindustrie zu viel in die Dualen Systeme ein, so das Unternehmen.

Mehrere Weißblechdosen ohne Etikett. Lebensmitteldosen aus Weißblech: Sie werden nach Ansicht des Stahlverpackungsherstellers Thyssenkrupp Rasselstein durch zu hohe Beteiligungsentgelte am Dualen System benachteiligt.
Industrie und Handel sind dazu verpflichtet, ihre in Verkehr gebrachten Verkaufsverpackungsmengen nach Materialart bei einem Dualen System anzumelden und für die Entsorgung entsprechende Beteiligungsentgelte zu entrichten. Diese Beteiligungsentgelte sind nach Ansicht von Thyssenkrupp Rasselstein „in eine drastische Schieflage“ geraten: Die Preise berücksichtigten mit den Jahren immer weniger materialspezifische Unterschiede und glichen sich mehr und mehr an. Direkt benachteiligt würden dadurch zunächst die Hersteller, also die Inverkehrbringer von mit Waren befüllten Weißblechverpackungen wie etwa Suppen- oder Lackdosen. Davon indirekt betroffen seien aber auch die Verpackungsproduzenten oder Weißblechhersteller wie Thyssenkrupp Rasselstein.
Gepresster Schrottblock aus Weißblechdosen. Ein Schrottpaket aus Weißblechdosen: Dosen sind zu fast 100 Prozent recycelbar
Verpackungsstoffe wie Weißblech, die geringe Kosten verursachen, weil sie leicht zu sammeln, zu sortieren und zu verwerten seien, sollten nach Auffassung der Stahlverpackungsindustrie eigentlich mit entsprechend geringen Kosten am Entgeltmodell beteiligt werden. Materialien mit hohen Verursacherkosten wie Kunststoff hingegen müssten entsprechend höhere Entgelte bezahlen.

Thyssenkrupp stützt sich dabei auf ein Gutachten der Wirtschafts- und Politikberatungsunternehmen Prognos und INFA, das im Auftrag des Verbands Metallverpackungen (VMV) erstellt wurde. Fazit der Studie: Die Preise für alle anderen Verpackungsmaterialien haben sich seit 2003 stetig verringert. Die Prognos/ INFA-Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass Weißblech im Verhältnis zu seinem Mengenanteil deutlich weniger Kosten verursacht als die übrigen Materialfraktionen im Gelben Sack und der Gelben- oder Wertstofftonne (LVP-Fraktion). Das Gutachten stellt im Detail fest: Weißbleche machen etwa 10 Prozent des Inhalts aus der Sammlung der Gelben Tonne aus und Kunststoffe 50 Prozent. An den Kosten für Sammlung und Transport sind Weißblechverpackungen zu 7 Prozent beteiligt, die Plastikfraktion zu 65 Prozent – da passe das Verhältnis von Menge und Kosten in etwa. Beim Aufwand für die Sortierung werde dann aber deutlich: Nur 4 Prozent davon verursachten die Weißblechverpackungen, während 81 Prozent der Kosten für das Aussortieren der Kunststoffe anfielen.

Bezahlt, so lässt sich aus dem Prognos/INFA Gutachten ablesen, werden diese Kosteneffekte von der Weißblechfraktion. So ist, das ist die Schlussfolgerung der Marktteilnehmer, mit den Jahren im Dualen System eine millionenschwere Quersubventionierung von Kunststoffverpackungen entstanden. Letztendlich sei das ein relevanter Wettbewerbsnachteil für die Stahlindustrie. Das System verteuere unverhältnismäßig das recyclingfreundliche Weißblech.

Um einen fairen Wettbewerb wiederherzustellen, dürfen nicht länger materialfremde Kosten im Recycling vor allem auf die Beteiligungsentgelte der Weißblechverpackungen aufgeschlagen werden. Bei einer verursachergerechten Berechnung würden sich die Entgelte für Weißblech um bis zu 75 Prozent verringern, so der VMV.

Auch die aktuelle europäische Diskussion um eine zukunftsweisende Verpackungsverordnung (PPWR) sieht eine verursachergerechte Kostenverteilung bei der Sammlung, Sortierung und Verwertung vor. „Wir fordern eine unbürokratische Lösung, die einmalig eingeführt wird und die Chancengleichheit klar festschreibt. Dass derzeit ausgerechnet Plastikverpackungen im Wettbewerb profitieren, setzt falsche ökologische Anreize“, sagt Mario van Hall, Leiter Sustainability and Digitalization der thyssenkrupp Rasselstein GmbH. Eine materialgerechte Bepreisung wäre keine Kostenbelastung für die Verbraucher. Die Weißblechdosen bekämen im Einkauf einen fairen Preis, so van Hall. „Nach Expertenberechnungen liegt der 3 bis 5 Cent unter dem jetzigen. Das macht sich bemerkbar, wenn man 60 Millionen Dosen Suppe pro Jahr verkauft.“

Christoph Freitag, Geschäftsführer BOGK (Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie e. V.), unterstützt die Forderungen: „Die Inverkehrbringer von Gemüse, Obst oder Kartoffeln müssen beim Einkauf der Verpackungsmaterialien auch nach dem Preis schauen. Wir waren sehr verärgert, als das Prognos-Gutachten die unfaire Bepreisung der Dosen im Markt sichtbar machte. Wir müssen hier dringend eine faire Wettbewerbssituation herstellen“, so Freitag.

Meinungen der Entsorger 

FACHPACK360° fragte auch bei Entsorgern nach. Die Veolia Umweltservice GmbH erklärte: „Wie der Mindeststandard für die Bemessung der Recyclingfähigkeit unumstritten belegt, sind Metallverpackung überdurchschnittlich recyclingfähig. Deshalb liegt das Problem nicht in der Mischkalkulation für die Erfassung und Sortierung von Leichtverpackungen, sondern vielmehr an der zu geringen Lenkungswirkung von §21 VerpackG. Aufgrund von systemimmanenten Problemen bei der Ausgestaltung von §21 VerpackG ist der Handlungsspielraum der dualen Systeme begrenzt, signifikante Anreize für recyclingfähige Verpackungen zu setzen“, heißt es weiter. Dieser Problemstellung sei sich die Bundesregierung bereits bewusst. Eine Überarbeitung des § 21 VerpackG werde angestrebt. „Im Sinne einer größeren Lenkungswirkung haben die dualen Systeme proaktiv einen privatrechtlich organisierten Modellentwurf ausgearbeitet, der von der aktuellen Regierung bereits zur Kenntnis genommen wurde und in die Überlegungen zur Modellentwicklung miteinbezogen wird.“

Auf die Frage, wie fair das System ist, antwortet Prezero: „Die Dualen Systeme sind frei in der Gestaltung ihrer Preise. Im Wettbewerb formt sich der Preis zwischen Angebot und Nachfrage. Neben den reinen Rohstoff-Erlösen haben insbesondere die Sammlung und das Sortieren der Leichtverpackungen Einfluss auf den Preis. Diese Schritte müssen alle Fraktionen in der gelben Tonne/ gelben Sack durchlaufen, so auch die Fraktion Weißblech.“ Der Entsorger, der zur Schwarz Gruppe gehört, ergänzt: „Ein gewisses Verständnis für die Kritik kann man entwickeln, allerdings müssen alle Dualen Systeme neben den genannten Kostenfaktoren auch noch Logistik sowie allgemeine Aufwände für das System bezahlen. Dass sich der Lizenzpreis nun so im Markt formt, ist das ein Ergebnis von Angebot und Nachfrage und keine einseitige Benachteiligung der Fraktion Weißblech.“

Interseroh+ erklärt: In der Summe müssen für die LVP-Fraktion nahezu identische Sortier- und Verwertungskosten angesetzt werden. "Die Systeme müssen, unabhängig von der Lizenzierung einer Materialfraktion, LVP-Sammelgemisch und nicht nur zum Beispiel lizenzierte Materialfraktionen übernehmen, sortieren und verwerten. Eine abgestimmte Vorgehensweise ist kartellrechtlich nicht zulässig. Verschiedene Modelle zur Berücksichtigung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen werden diskutiert, um Differenzierungen zwischen den Verpackungen vornehmen zu können."

Der Grüne Punkt wollte die Anfrage zur Preisgestaltung „auch aus wettbewerbsrechtlichen Gründen“ nicht kommentieren.