Nachhaltige Verpackung: Lebensmittelbranche lässt Potenzial oft noch ungenutzt
31.03.2024 Insights Retail Sustainability Artikel

Nachhaltige Verpackung: Lebensmittelbranche lässt Potenzial oft noch ungenutzt

Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Strategy&, der Strategieberatungssparte von PwC, liefert aufschlussreiche Erkenntnisse darüber, wie sich die Lebensmittelbranche durch effizientere und nachhaltigere Verpackungslösungen wettbewerbsfähiger aufstellen kann.

Unterschiedliche verpackte Lebensmittel Die THG-Emissionen der Lebensmittelverpackungen resultieren insbesondere aus der vorgelagerten Wertschöpfungskette.

Die Studie mit dem Titel „Mastering food and beverage packaging“ zeigt auf, dass Lebensmittelhersteller durch nachhaltige Verpackungen ihre Kosten massiv reduzieren und ihre CO2-Bilanz erheblich verbessern könnten. Jan-Philipp Loch, Senior Communications and Though Leadership Expert bei PwC erläutert, wie Lebensmittelhersteller dieses enorme Potenziale nutzen können – und woran es bei den Unternehmen im Moment noch hapert.

Herr Loch, welche wichtigen Erkenntnisse konnten Sie in Ihrer Studie gewinnen?
Unsere jüngste Studie zeigt, dass die Lebensmittelbranche durch eine umfassende Optimierung der Verpackungsprozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette bis zu 30 % der Kosten einsparen und ihre Treibhausgasemissionen um etwa 25 % reduziert könnte. Trotz dieser beeindruckenden Potenziale hinken viele Hersteller den politischen Vorgaben und sogar ihren eigenen Nachhaltigkeitszielen hinterher, insbesondere im Bereich des Abfallmanagements. Die Gründe hierfür sind vielfältig, unter anderem die Komplexität der Umstellung und die anfänglichen Investitionen, die dafür notwendig sind. Doch die Chancen, die sich durch die Optimierung der Verpackungsstrategien bieten, sind zu bedeutsam, um sie zu ignorieren.

Wie kommen die hohen Treibhausgasemissionen der Lebensmittelverpackungen zustande? 
Die THG-Emissionen der Lebensmittelverpackungen resultieren insbesondere aus der vorgelagerten Wertschöpfungskette, d. h. aus den verwendeten Rohstoffen und Materialien sowie aus dem Produktionsprozess, beispielsweise durch den Einsatz von nicht-erneuerbarer Energie. Vor allem im Produktionsprozess entstehen durch den hohen Energieverbrauch Emissionen; hier stechen Glas und Aluminium heraus. Daneben entstehen weitere THG-Emissionen während des Transports der Lebensmittelverpackungen. Übergeordnet führen außerdem Ineffizienzen im Design von Lebensmittelverpackungen zu vermeidbaren Emissionen wie unverhältnismäßig große Verpackungsgrößen.

Warum hinken viele Unternehmen den eigenen Zielen im Bereich Recycling und Abfallmanagement hinterher?
Nur etwa ein Drittel der in unserer Studie untersuchten Unternehmen setzen sich bisher offiziell konkrete Ziele für den Recyclinganteil in Verpackungen. Im Durchschnitt hatten diese Unternehmen einen Recyclinganteil von 38 % im Jahr 2022 – ein beträchtlicher Abstand zu den 50-100-%-Quoten, die regulatorisch bis 2030 vorgeschlagen wurden. Diese Lücke ist jedoch nicht überraschend. Wenn es beispielsweise um Kunststoff geht, ist recycelter Kunststoff nach wie vor teurer als neuer Kunststoff. Dafür gibt es mehrere Gründe, darunter die Knappheit von Kunststoffabfällen und die hohen Kosten der Recyclingverfahren, welche durch hohe Energiepreise weiter verschärft werden. Andererseits kann eine Erhöhung des Recyclinganteils in Metallverpackungen dazu beitragen, die Kosten und THG-Emissionen zu senken. Dies liegt daran, dass für das Wiedereinschmelzen von Metallen wie Stahl weniger Energie benötigt wird als bei der Primärproduktion. In jedem Fall müssen sich Unternehmen den Zugang zu recycelten Rohstoffen sichern und vermeiden, dass sie zurückbleiben, wenn die Gesetze in Kraft treten.

Weiterhin hat sich nur ein Viertel der in unserer Studie erfassten Unternehmen Ziele für das Abfallmanagement gesetzt. Gleichzeitig könnte die bevorstehende Regulierung potenziell eine Reduzierung des Verpackungsmülls um 15 % bis zum Jahr 2040 vorschreiben. Allerdings bleibt das wirtschaftliche Potenzial bestimmter Abfallströme von Unternehmen noch weitgehend ungenutzt. Hier ist jedoch zu beachten, dass die notwendige Infrastruktur meistens noch nicht vorhanden ist und mit erheblichen Kosten verbunden wäre. Bis auf einige ausgewählte Vorreiter gehen Unternehmen langfristige Verpflichtungen meist noch nicht ein. 

Welche Strategie empfehlen Sie Unternehmen, um ihre Verpackungen nachhaltiger zu machen?
Um die Möglichkeiten innovativer Verpackungen voll ausschöpfen zu können, sollten die Einzelhandels- und Konsumgüterunternehmen die vier elementare Hebel Rethink, Reduce, Reuse und Recycle anwenden.

Auf dem Weg zu nachhaltigen sowie kosteneffektiven Verpackungslösungen werden zudem verschiedene Technologien und Innovationen eine Rolle spielen. Der Schlüssel zum Erfolg wird in der breiten Nutzung und im Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen entlang der Wertschöpfungskette liegen. Dabei werden innovative Materialien, auch auf biologischer Basis, genauso wie Technologien zur Reduktion des Energiebedarfs bzw. des Ausstoßes von Treibhausgasen in der Produktion eine große Rolle spielen. 

Bei der Reduzierung von Materialien kommt es neben dem Einsatz neuer Stoffe weiterhin auf ein Umdenken der Verpackung an sich an. Noch immer sehen wir ineffiziente Verpackungsdesigns, die Optimierungspotenzial haben. Zusammen mit einer Verpackungsagentur haben wir beispielsweise materialsparende Kartonagenzuschnitte entwickelt, die teilweise über 10 % Materialreduktion erlauben. In diesem Zuge ist es entscheidend, dass recycelbare Materialien zum Einsatz kommen. 

Es ist wichtig zu verstehen, dass solche Verbesserungen nur in Kollaboration mit den verschiedenen Partnern realisiert werden können. Während eine langfristige Planung wichtig ist, müssen insbesondere durch ausgewählte Pilotprojekte schnell Erfahrungswerte gesammelt werden. 

Wie können nachhaltige Verpackungslösungen helfen, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern?
Der Einsatz von Recycling- oder Biomaterialien, wiederverwertbaren Verpackungen oder auch von leichteren Stoffen kann zu einer Optimierung der Kosten beitragen. Diese Ansätze führen zu geringeren Energiekosten bei der Verarbeitung, reduzierten Transportkosten durch effizienteres Design und niedrigeren Materialkosten. Dabei gilt, dass selbst kleine Verbesserungen bei Bestsellern mit hohem Volumen erhebliche Vorteile bringen können.

Was die Nachfrage angeht, führen Angaben zu nachhaltigen Verpackungen nicht zu einem veränderten Kaufverhalten führen; dies passiert typischerweise erst dann an, wenn diese z. B. zu „100 % recycelt“ sind oder eine ähnliche Aussage enthalten. Wenn Unternehmen notwendige Maßnahmen einleiten, um das Ziel nachhaltiger Verpackungen zu erreichen, können sie einen Wettbewerbsvorteil erlangen. 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Loch.