Konsumgüterriesen haben beim Einsatz von Rezyklat noch weiten Weg vor sich
Der Druck auf die Konsumgüterkonzerne ist hoch, Verpackungen nachhaltiger zu gestalten. Beim Einsatz von recyceltem Kunststoff geht es langsamer als von Politik, Investoren und Kunden erwartet. Ein Dilemma: Die Nachfrage nach Rezyklaten ist höher als das Angebot.
Die Konsumgüterkonzerne haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt, um weniger Verpackungsmaterial einzusetzen und nachhaltigere Materialien zu benutzen. Der Druck von Seiten der EU, aber auch von Investoren und Kunden wächst. Bis Ende 2025 wollen die Unternehmen Henkel, Beiersdorf und Unilever den Anteil an Rezyklat, also recyceltem Plastik, in ihren Verpackungen auf 25 bis 30 Prozent steigern. Doch bisher machen sie nur langsam Fortschritte, berichtet die Lebensmittelzeitung. Im Jahr 2023 habe bei Beiersdorf der Anteil von Rezyklat an den Kunststoffverpackungen erst bei 12 Prozent gelegen. Um die angestrebten 30 Prozent zu erreichen, müsste das Unternehmen bis Ende nächsten Jahres also mehr als doppelt so viel recyceltes Material einsetzen wie bisher. Dennoch sieht sich der Konzern im Zeitplan.
Ein Grund dafür, dass es so schleppend vorangeht, sei ein weiteres wichtiges Ziel: Die Verpackungen sollen leichter werden, weniger Material enthalten. Darauf habe sich das Unternehmen zuerst konzentriert. „Generell ist die Umstellung unserer Verpackungen auf recyceltes Material in keinem Fall einfach“, heißt es bei Beiersdorf. „Es gibt immer noch einen Angebotsmangel an hochwertigem Rezyklat auf dem Markt.“ Um die Sicherheit der Produkte zu gewährleisten, teste der Konzern das eingekaufte Material sehr aufwendig auf seine Unbedenklichkeit.
Wenig Material
Rezyklat ist das Mittel der Wahl. Die Kosten dafür stellen aber eine hohe Hürde dar. „Die Preise für die hohen Qualitäten sind in den letzten Jahren durch die Decke gegangen“, sagt Henning Wilts, der am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie die Abteilung Kreislaufwirtschaft leitet. „Kunststoff-Rezyklat ist im Schnitt 30 bis 50 Prozent teurer als Neuware. Auf der einen Seite haben wir eine gigantisch gestiegene Nachfrage, auf der anderen Seite eine Recyclingbranche, die zu wenig investiert hat.“ Um das Angebot zu steigern, schlägt Wilts eine verpflichtende Mindestquote vor. Das sieht Jochen Neubauer ähnlich. Der Verpackungsingenieur erforscht am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung neue Möglichkeiten, um recyceltes Plastik herzustellen. „Es müssen der politische und finanzielle Wille da sein. Solange es keine gesetzlichen Vorgaben gibt, wird der Einsatz von Rezyklat nicht deutlich steigen.“ Die Preise würden in absehbarer Zeit wohl nicht sinken. „Solange wenig Material in guter Qualität auf dem Markt ist, wird es wie Gold gehandelt.“
Neubauer hat einen Prozess mitentwickelt, bei dem verschiedene Kunststoffe mithilfe von Lösemitteln voneinander getrennt werden und dann recycelbar sind. Bisher ist es so, dass viele Verpackungen schwer wiederverwertbar sind, weil sie aus verschiedenen Stoffen bestehen, die sich nicht gut voneinander trennen lassen. Das Verfahren funktioniere gut, aber das recycelte Material sehe grünlich aus. Derzeit arbeitet das Fraunhofer-Institut an der ersten kommerziellen Anlage in Deutschland, doch das Interesse der Industrie sei verhalten, stellt Neubauer fest. Ästhetische Gesichtspunkte spielten beim Rezyklat immer noch eine Rolle, sagt auch Sven Sängerlaub, Professor für Verpackungstechnik an der Hochschule München.
Der Einsatz von recyceltem Plastik ist vor allem eine finanzielle Frage. „Wir investieren viel in nachhaltige Verpackungen. Rezyklat ist deutlich teurer als Neumaterial“, sagt Carsten Bertram, der bei Henkel für die nachhaltige Verpackungsentwicklung des Konsumgütergeschäfts verantwortlich ist, im LZ-Interview. Hinzu kommen Investitionen in die Produktionsstätten. Der Konzern wolle bis Ende nächsten Jahres 30 Prozent Rezyklat einsetzen. Vergangenes Jahr lag der Anteil bei 19 Prozent. Bis dahin war es nur in kleinen Schritten vorangegangen. Nun sollen wichtige Projekte für den entscheidenden Sprung sorgen – etwa bei der größten Marke Persil. Die Verpackungen, die jetzt in ganz Europa zu 50 Prozent aus recyceltem Kunststoff bestehen, kommen bald auf den Markt. Henkel hat „einen signifikanten Millionenbetrag“ in die Recyclinganlagen investiert, da für das Rezyklat ein eigenes Silo notwendig war.
Auch Unilever hat den Anteil von Rezyklat in den vergangenen Jahren nur in kleinen Schritten gesteigert. Bis Ende 2025 soll der Anteil an recyceltem Plastik bei 25 Prozent liegen. 2021 betrug er 18 Prozent, vergangenes Jahr dann 22 Prozent. Unilever zeigt sich dennoch zuversichtlich, das Vorhaben zu erreichen. Das Unternehmen hat allerdings andere Voraussetzungen als Henkel und Beiersdorf, da es einen bedeutenden Anteil seines Umsatzes mit Lebensmitteln macht. Das erschwert es, den Gesamtanteil von Rezyklat in die Höhe zu treiben.