Expertin: Marken mit Nachhaltigkeit als Mehrwert haben eine bessere Position
27.04.2023 Insights Retail Sustainability Interview

Expertin: Marken mit Nachhaltigkeit als Mehrwert haben eine bessere Position

Im Interview mit FACHPACK360° spricht Petra Süptitz, Director Marketing & Consumer Intelligence DACH bei GfK, über Verbrauchertrends und erklärt, warum Nachhaltigkeit trotz Kaufzurückhaltung ein Mega-Trend bleibt.

Petra Süptitz, Director Marketing & Consumer Intelligence DACH bei GfK. Nachhaltigkeitsexpertin Petra Süptitz ist Director Marketing & Consumer Intelligence DACH bei GfK.

Welche Auswirkungen haben die anhaltenden Preissteigerungen auf das Thema Nachhaltigkeit? 

Auch wenn Bio-Produkte aktuell etwas weniger nachgefragt werden, bleibt Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema für die Konsumentinnen und Konsumenten in Deutschland. Mehr als 70 Prozent halten den Klimawandel für ein ernstzunehmendes Problem. Die Sorge um den Klimawandel steht nach der Sorge vor Inflation an vorderster Stelle. Das ist bemerkenswert, denn bei der Frage nach den größten Problemen in Deutschland konnten die Befragten unter 26 Antworten auswählen. 
Der Schutz der Umwelt ist den Menschen nach unseren Umfrageergebnissen auch wichtiger als Fitness und Gesundheit. 65 Prozent der Deutschen erwarten umweltfreundliches Handeln von Unternehmen, indem diese beispielsweise nachhaltige Materialien verwenden.

Nachhaltigkeit bleibt also Mega-Trend. Hat sich etwas dennoch verändert?

60 Prozent möchten weiterhin nachhaltig einkaufen. Allerdings kaufen mehr Menschen als bisher im Discounter ein. Dort greifen sie vermehrt zu Eigenmarken. Die Markenhersteller haben also ein starkes Konkurrenzumfeld. Sie müssen Nachhaltigkeit glaubhaft als Mehrwert entwickeln und präsentieren, um sich abheben zu können. Mit innovativen Verpackungen, die nachhaltig, aber auch funktional sind, kann dies gelingen. Auch die soziale Komponente spielt beim Einkauf eine immer größere Rolle. Teilt die Marke mein Wertesystem? Werden ethische Standards bei der Produktion eingehalten? Immer mehr Discounter und Eigenmarken reagieren auf diese Nachfrage und informieren über Produktherkunft und Lieferwege. So zum Beispiel Aldi und Lidl mit der Tierwohl-Kennzeichnung – das kommt bei den Konsumenten an.

Bisher gab es parallele Trends wie den Trend zur Individualisierung (Losgröße 1) und den zur Nachhaltigkeit. Passt dies noch zusammen?

Es kommt auf die Zielgruppe an. Es gibt beispielsweise aufgrund des demografischen Faktors immer mehr kleine Haushalte. Daher können kleine Verpackungen vor Lebensmittelverschwendung schützen und damit nachhaltig sein. Die Bedeutung von maßgeschneiderten Produkten hat im Laufe der letzten Jahre zwar abgenommen, spielt aber immer noch eine Rolle. Das steht etwas im Widerspruch zu dem Wunsch nach dem „einfachen Einkauf“. Keiner möchte sich im Supermarkt zwischen 50 verschiedenen Joghurts entscheiden müssen. Kurzum: Ja, individuelle Lösungen können nachhaltig sein, es darf aber nicht zu kompliziert werden.
Ein Beispiel, wie mithilfe von Digitalisierung Individualisierung und Nachhaltigkeit harmonieren können, bietet die Kosmetikbranche. Es gibt Apps mit denen der individuelle Hauttyp ermittelt werden kann, sodass die Wahl des richtigen Kosmetikprodukts leichter erfolgen kann und Fehlkäufe und Verschwendungen vermieden werden können. 


Immer mehr Hersteller stellen Verpackungen von Kunststoff auf Papier um. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
 
Die Konsumenten haben die Bilder von vermüllten Küsten und Meeren vor Augen. Daher hat Papier in der Öffentlichkeit ein besseres Image als Kunststoff. Die meisten Verbraucher wissen allerdings nicht, wie nachhaltig eine Verpackung ist, denn vielen ist die Wertschöpfungskette nicht bewusst. Der ökologische Fußabdruck ist die Gesamtheit vieler Faktoren – von der Herstellung des Produkts über die Verpackung bis hin zum Transport. Die Verpackung ist also nur ein Bestandteil dessen. Es kommt immer auf das Produkt an, für das die Verpackung bestimmt ist. Kunststoff kann Lebensmittel schützen und damit Verschwendung vermeiden. Das Thema muss ganzheitlich betrachtet werden. 
 
Sie sprachen das Image an. Kann der Trend Nachhaltigkeit auch unkontrolliert in Greenwashing abrutschen?
 
Es kann sich kein Unternehmen leisten, nur ökologisch aufzutreten und es am Ende nicht zu sein. Authentizität ist für den Verbraucher wichtig, die Marke muss Vertrauen bieten. Jegliche Unehrlichkeit wird mit einem öffentlichen Shitstorm bestraft. Die Verbraucher wünschen sich eine transparente Kommunikation über das Produkt und die Verpackung. Auch wenn ein Markenhersteller seine Nachhaltigkeitsziele definiert und mitteilt, dass noch nicht alle Schritte erreicht wurden, dann ist dies transparent und nicht unbedingt von Nachteil.
 
Welche Art der Verpackung ist derzeit besonders gefragt?

 

Bei Lebensmitteln gibt es eine hohe Akzeptanz gegenüber Papierverpackungen oder nachhaltig anmutenden Verpackungen. Nachfüllverpackungen sind im Konsumgüterbereich besonders gefragt. Und es gibt davon ja immer mehr. Und nachhaltige Verpackungen sind zunehmend auch im Bereich Non Food gefragt.

Recycling ist in der Fachwelt in aller Munde. Ist das auch bei Verbrauchern der Fall?

 
Recycling hat in ganz Europa einen hohen Stellenwert. 77 Prozent der Menschen in Deutschland trennen Papier, Glas und Kunststoff. Dreiviertel der Verbraucherinnen und Verbraucher achten auf recycelbare Verpackungen – im Bereich Non Food sind das etwas weniger – aber immer noch die Mehrheit der Konsumenten: Das sind deutliche Zahlen. 

Petra Süptitz ist seit 2017 bei GfK, dem größten deutschen Marktforschungsinstitut und berät ihre Kunden zu Konsumententrends. Dabei ist Nachhaltigkeit eines ihrer aktuellen Fokusthemen. Davor war die Wirtschaftswissenschaftlerin beim Lebensmittelunternehmen Bahlsen im Marketing beschäftigt.