"Digitalisierung hilft, Preisschere zu schließen"
09.06.2023 New Paths Sustainability Interview

"Digitalisierung hilft, Preisschere zu schließen"

Im Interview mit FACHPACK360° spricht cirplus-Gründer und Geschäftsführer Christian Schiller über die Zukunft des Kunststoffrecyclings, das Potenzial von KI und den Trend zu mehr Nachhaltigkeit. Er ist überzeugt, mit dem Digitalisierungsansatz seines Unternehmens wesentlich dazu beitragen zu können, die Preisschere zwischen Neuware und Rezyklaten zu schließen.

Christian Schiller ist Geschäftsführer und einer der Gründer von cirplus, einem globalen Marktplatz für Rezyklate. Christian Schiller ist Geschäftsführer und einer der Gründer von cirplus, einem globalen Marktplatz für Rezyklate.

Rezyklate werden auf vielen B2B-Plattformen gehandelt oder über traditionelle Beschaffungskanäle und Recyclingunternehmen besorgt. Was spricht für cirplus?

Unsere Beschaffungsplattform ist als „One-Stop-Shop“ für den Handel mit recycelten Kunststoffen konzipiert, das heißt: als erste Plattform im Markt haben wir uns zum Ziel gesetzt, nicht nur als Lieferantenverzeichnis zu dienen, sondern den gesamten Einkaufs- beziehungsweise Vertriebsprozess für unsere Kunden zu digitalisieren und damit erhebliche Effizienzgewinne zu realisieren. Dabei vermitteln wir auch denen einen ersten Zugang zu der Materie Rezyklateinsatz, die sich bisher noch überhaupt nicht mit dem Thema beschäftigt haben.

Wie genau funktioniert das?

Unsere Kunden können mit Hilfe der cirplus-Software verfolgen, welche Arten von Kunststoffabfällen und Rezyklaten wo und zu welchen Konditionen verfügbar sind oder gehandelt werden. Komplexe Transaktionen werden so deutlich vereinfacht und Transaktionskosten werden reduziert. Aufbauend auf dieser Grundlagendigitalisierung sind künftig auch Anwendungen künstlicher Intelligenz denkbar, unter anderem um die Verwertungswege von Abfällen in der ganzen Welt in Echtzeit zu optimieren. Es entsteht ein modernes End-to-End Supply Chain Tool, das in der Lage ist, nahtlos mit den Warenwirtschaftssystemen unserer Kunden zu kommunizieren. Digitalisierung made in Germany.

Zu niedrige Preise für Virgin Plastic und fehlende Anreize für den Einsatz von Rezyklaten bremsen die Transformation der Kreislaufwirtschaft. Was bedeutet das für Ihr Geschäft?

Zwei Punkte: Zum einen kann unser Digitalisierungsansatz wesentlich dazu beitragen, die Preisschere zwischen Neuware und Rezyklaten zu schließen. Bis zu 25 Prozent der Transaktionskosten bei der Herstellung und Nutzung von Kunststoffrezyklaten lassen sich senken, je stärker wir uns vertikal in den Einkaufs- und Vertriebsprozess unserer Kunden integrieren. Zum anderen entsteht durch zunehmende Aufmerksamkeit seitens der Verbraucher und Regulierer auf den Werkstoff Kunststoff der Druck, den gordischen Knoten beim Kunststoffrecycling endlich zu durchbrechen und verlässliche Mengen und Qualitäten zu attraktiven Preisen anzubieten. Hierzu gehört insbesondere auch, die Markt- und Investitionsbedingungen im Recyclingmarkt dauerhaft gegenüber dem Neuwarenmarkt zu verbessern. Als Vorbild könnte hier das Erneuerbare-Energien-Gesetz dienen, das damals den Einspeisevorrang von Strom aus erneuerbaren Quellen, gegenüber dem aus fossilen Quellen verankert hat. Bei aller Volatilität der Nachfrage der vergangenen Monate blicken wir daher optimistisch auf die Umsatzentwicklung für cirplus und den Recyclingmarkt im Allgemeinen. Der Trend hin zu mehr und echter Nachhaltigkeit in der Kunststoffindustrie hat Tiefgang.

Wie stellt cirplus die Qualität der angebotenen Rezyklate sicher?

Qualität steht und fällt mit einheitlicher, standardisierter Sprache entlang der Wertschöpfungskette. Hierzu haben wir die DIN SPEC 91446 initiiert und finanziert, den weltweit ersten Standard für hochwertiges Kunststoffrecycling und Digitalisierung. Die DIN SPEC 91446 wird derzeit in eine europäische Norm überführt. Sie wurde inzwischen auch vom Verband der Deutschen Automobilindustrie aufgegriffen und als neue Empfehlung (VDA 284) für den Rezyklateinsatz in der Automobilindustrie eingeführt. Angebote beziehungsweise Einkaufspezifikationen können so einfach klassifiziert und mittels Prüfergebnisse in ein erstes Ranking gebracht werden, das den Zugriff auf den Markt deutlich erleichtert.

Welche Kunststoffrezyklate bieten Sie an?

Grundsätzlich können auf unserer Plattform alle Typen von Kunststoffrezyklaten angeboten werden, von den Standardthermoplasten zu den technischen Kunststoffen. Dem Volumen nach machen die Standardthermoplasten den größten Anteil aus, also vor allem PET, PP, PE und PS. Den besonderen Fokus legen wir in unserer Arbeit auf die sogenannten Post-Consumer-Rezyklate, also Haushaltsverpackungsabfälle, denn hier besteht der größte Aufholbedarf beim Einsatz, sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht.

Aus welchen Branchen kommen Ihre Kunden?

Auf der Plattform sind heute mehr als 2.500 Unternehmen registriert. Darunter finden sich Unternehmen aus der Automobil- und Haushaltswarenindustrie, große Verpackungshersteller und Markenartikler ebenso wie kleinere und mittelständische Betriebe, die die Möglichkeiten der Digitalisierung früh ergreifen wollen. Letztlich richtet sich unsere Software an alle Unternehmen, die zirkuläre Kunststoffe einsetzen und vertreiben wollen.