"Am Wichtigsten ist die Standardisierung"
02.03.2023 Innovative Processes Interview

"Am Wichtigsten ist die Standardisierung"

Im exklusiven Interview mit FACHPACK360° fordert Karsten Beutner, CEO des Beratungsunternehmens Berndt+Partner Consultants, von den Verpackungsherstellern die Einführung eines Rohstoff-Risiko-Managements, die Professionalisierung des Einkaufs und neue Ideen für die Preisgestaltung gegenüber den Kunden.

Karsten Beutner ist Partner der Unternehmensberatung Berndt & Partner. Karsten Beutner ist Partner der Unternehmensberatung Berndt & Partner.

Herr Beutner, Pandemie, Inflation und Krieg haben in der Weltwirtschaft zu starken Verwerfungen geführt. Vor allem die Lieferkettenproblematik war in aller Munde. Inwiefern war die Verpackungsbranche davon betroffen?

Hier muss man zwischen Kunststoffen und anderen Packmitteln differenzieren. Bei letzterem ist die Lieferkettenproblematik nicht so dramatisch, da die meisten Rohstoffe und Verpackungen europäisch gehandelt werden. Nehmen Sie die Wellpappenproduktion. Der Aktionsradius beträgt maximal 200 Kilometer. Was darüber hinaus geht ist unwirtschaftlich.

Und bei Kunststoffen?

Hier geht es vor allem um die Rohstoffe. Ein Grund für die Probleme war und ist nicht nur der Rohstoffmangel, sondern die Verfügbarkeit und die Preise für Container, die in der Hochphase um den Faktor 10 gestiegen waren. 

Mit dramatischen Folgen für die Branche!

Ja, denn der Anteil der Rohstoffkosten liegt in der Verpackungsbranche bei 50 – 70 Prozent. Wenn also die Rohstoffpreise um 10 Prozent steigen, dann gehen 5 bis 7 Prozent direkt von der eigenen Marge ab, wenn die Kosten nicht durchgereicht werden können. Das ist enorm viel, da die Verpackungsbranche großteils mit EBIT-Margen um 10 Prozent arbeitet. Zudem führt der Rohstoffmangel auch zu höheren Rüstzeiten, da die Produktion ständig an die verfügbaren Materialien angepasst werden muss. Logische Folge: Der Output sinkt bei gleichen Fixkosten und auch das geht zu Lasten der Marge.

Hat das auch Auswirkungen auf die Kundenbeziehungen? Schließlich haben sich viele Verpackungshersteller verpflichtet, fest vereinbarte Mengen mit klar definierten Qualitätskriterien zu liefern.

Vor allem das Qualitätsargument ist wichtig. Bei fast allen Markenartiklern sind die Verpackungen und deren Zusammensetzung klar spezifiziert. Wenn einzelne Bestandteile ausgetauscht werden, muss der gesamte Freigabeprozess von neuem durchlaufen werden – das dauert häufig viele Monate.

Was raten Sie Ihren Kunden, um diese Risiken zu minimieren?

Ihr Rohstoff-Portfolio so weit wie möglich zu standardisieren. Nur so können sie ihre Produktivität steigern und die Komplexität in der Produktion reduzieren. Dabei stoßen wir aber oft auf Widerstände. Viele Entscheider vertreten die Meinung, dass ihre Verpackungslösungen extrem individuell und beratungsintensiv sind und deshalb nicht standardisiert werden können. Das ist ein Trugschluss, denn in Zeiten der Digitalisierung können die meisten Materialien längst über digitale Ausschreibungen oder Plattformen gekauft werden. 

Neben der Standardisierung fordern Sie ein professionelles Rohstoff-Risiko-Management Wie sieht das aus?

Die Unternehmen müssen eine zentrale Frage beantworten: Was sind meine kritischen Rohstoffe? In der Regel sind es Materialien, die in einzelnen Produkten in großer Menge enthalten sind oder die für sehr viele Produkte verwendet werden. Das ist aber auch dann der Fall, wenn die Preise und die Verfügbarkeit der Rohstoffe großen Schwankungen unterliegen. Und dann kommt es darauf an, die richtigen Schlüsse zu ziehen. 

Welche sind das?

Am wichtigsten ist die Standardisierung. Die Unternehmen müssen die Anzahl der Rohstoffe und die Komplexität der Produkte deutlich reduzieren. Darüber hinaus müssen sie ihre Bezugsquellen stärker diversifizieren und ihre Rohstoffe mit großer Weitsicht einkaufen. 

Das ist doch das tägliche Geschäft des Einkaufs. 

Stimmt, aber bei vielen Unternehmen gibt es da noch Professionalisierungsbedarf. Vielfach wird keine gute Bedarfsplanung gemacht und wichtige Preisindizes gar nicht oder nur nachlässig beachtet. Es wird nach dem Motto „Es kostet eben, was es kostet“ eingekauft. Und das kann desaströse Folgen haben.

Ein weiteres Problem ist die Marktmacht der Markenartikelunternehmen. Wie können die Verpackungshersteller darauf reagieren?

Die Verpackungsindustrie hängt in einer Sandwich-Position. Sowohl bei den Lieferanten als auch bei den Kunden handelt es sich häufig um milliardenschwere Konzerne, während sie selbst meist mittelständische Unternehmen mit 30 – 80 Millionen Euro Umsatz sind. Sie sind dann damit konfrontiert, dass die Rohstofflieferanten ihre Preise kurzfristig und stark erhöhen, sie die höheren Kosten jedoch nicht in der gleichen Geschwindigkeit an ihre Kunden weiterreichen können. Logische Folge auch hier: Entweder man verliert das Business oder nimmt in Kauf, dass die Kostensteigerung zumindest übergangsweise auf die eigene Marge geht. 

Wie können die Verpackungshersteller gegensteuern?

Ein klassisches Instrument sind Preisgleitklauseln. Allerdings sind diese häufig so ausgestaltet, dass sie zu spät greifen und dass die Verpackungsindustrie trotzdem den Großteil des Risikos trägt. Am fairsten wäre es, wenn man Preise vereinbaren könnte, die sich an bekannten und unabhängigen Preisindizes orientieren. Diese gibt es für nahezu alle Bereiche, beginnend bei den Rohstoffen bis hin zum Packmittel. Doch das allein reicht nicht aus. Es müssen auch Aspekte, wie Personal-, Energie-, Maschinen- oder Logistikkosten einbezogen werden. Und dann muss es klare Vereinbarungen geben, wie groß der Ausschlag sein muss und wie lange er anhalten muss, damit die Preise nach oben oder unten korrigiert werden. Vereinzelt wird das schon praktiziert, aber insgesamt ist es bis dahin noch ein weiter Weg.