"Wir befördern zu viel verpackte Luft"
11.05.2023 Industry Retail Sustainability Interview

"Wir befördern zu viel verpackte Luft"

Die Dekarbonisierung der Lieferketten müssen alle Unternehmen in Angriff nehmen, die beliefert werden oder selbst ausliefern. Auch das Versandpaket kann seinen Beitrag leisten. Eine Optimierung hilft aus Sicht des Logistik-Spezialisten Massimo Rossetti der Umwelt und senkt die Kosten.

Massimo Rossetti ist CEO und Mitgründer der Alpha Augmented Services AG, die im Schweizer Baar ihren Sitz hat. Massimo Rossetti ist CEO und Mitgründer der Alpha Augmented Services AG, die im Schweizer Baar ihren Sitz hat.

Wie kann Verpackungslogistik und der Versand nachhaltiger werden? Diese Frage stellen sich Verpackungshersteller und Handel. Die Schumacher Packaging Gruppe, Hersteller von Verpackungen aus Well- und Vollpappe, arbeitet zum Beispiel seit Kurzem mit dem schwedischen Softwareanbieter Skym zusammen, um mithilfe künstlicher Intelligenz die jeweils optimale Verpackungsgröße und Form zu ermitteln und so Leerräume beim Transport zu vermeiden.

Im Interview, spricht Massimo Rossetti, CEO und Mitgründer der Alpha Augmented Services AG, die in der Schweiz ihren Sitz hat, über Einsparpotenziale bei Verpackungen. Nach mehr als 20 Jahren Management-Erfahrung in der europäischen und amerikanischen Logistikbranche will Rossetti seine Vision einer nachhaltigen und effizienten Lieferkette realisieren – mittels einer cloudbasierten Software und eines eigenentwickelten Algorithmus.

Wie kann die Handelsbranche nachhaltiger wirtschaften?

Der Handel hat bei Kosten und Nachhaltigkeit in der Logistik noch erhebliches Nachholpotenzial. 90 Prozent aller Warensendungen sind heute nicht effizient gepackt, sodass Material verschwendet wird und „verpackte Luft“ befördert wird. Transportkapazitäten werden nicht optimal genutzt. Nachhaltigkeitsbestrebungen konzentrieren sich oft nur auf umweltfreundlichere Transportmittel und -materialien und nicht auf effiziente Verpackung und Kapazitätsausnutzung.

Wie hoch sind die Einsparpotenziale bei Kosten und CO2-Ausstoß?

Bei den Versand-, Lager-, Umschlags- und Materialkosten sind nach unserer Erfahrung Einsparungen von 20 Prozent möglich, und in diesem Rahmen bewegt sich auch die Reduktion des CO2-Ausstoßes. Entscheidend ist dabei, dass bereits bei der initialen Bearbeitung der Order mit der Optimierung des Versands begonnen wird.

Welche Warengruppen bieten das höchste Einsparpotenzial?

Besonders geeignet sind Warenzusammenstellungen, die später auf Paletten, in Kartons und Containern transportiert und gelagert werden. Künstliche Intelligenz kann eingesetzt werden, um aus mehreren 1.000 Verpackungs- und Versandkombinationen die beste zu ermitteln. Unterschiedliche rechteckige Laptops, Fernseher, Desktops und Smartphones lassen sich beispielsweise trotz ganz verschiedener Dimensionierungen computergestützt effizient mit der optimalen Konfiguration transportieren.

Stößt dieser Ansatz bei empfindlichen Waren an seine Grenzen?

Nein, denn manchmal ist zwar aufwendigere Verpackung notwendig, doch können die Produkte häufig effizienter verpackt werden. Wenn beispielsweise eine Sendung auf 8 statt auf 10 Paletten verpackt wird, sind weniger Paletten den Belastungen während des Transports ausgesetzt. Durch das kompaktere Verpacken sind die Produkte zudem insgesamt besser geschützt.

Optimieren große Handelsketten ihre Kapazitäten besser?

Nicht unbedingt. Große Filialisten bestellen global und haben oft nur wenig Kontrolle, wie Sendungen vom Lieferanten verpackt werden. Das ist Effizienzverlust Nummer 1. Die Transportkette erfolgt dann über Distributionslager der Handelsketten. Von dort werden Waren gemäß der Nachfrage der einzelnen Geschäfte neu zusammengestellt und verteilt. Diese Paletten und die Lkw sind oft ebenfalls schlecht ausgelastet – Effizienzverlust Nummer 2.

Würdigen Endkunden solche Optimierungen überhaupt?

Umweltaspekte spielen zunehmend eine Rolle. Kunden werden aber leider oft nur mit Kompensationsangeboten für die verursachte CO2-Emission abgespeist. Ich bin überzeugt, dass wir nicht kompensieren, sondern direkt vermeiden sollten. Das geschieht durch effiziente Logistik. Kosten werden so ebenfalls reduziert und die Geschwindigkeit leidet nicht. Dieser Ansatz kann für Händler ein Argument sein, mit dem sie sich bei ihren Kunden positionieren.