Wie sich Verpackung in Wohlgefallen auflöst
22.09.2022 Start-ups Artikel

Wie sich Verpackung in Wohlgefallen auflöst

Mit seinen Verpackungen aus Seetang ist Notpla ein Pionier bei biobasierten Materialien. Das Unternehmen hat die Herausforderungen der Skalierung erfolgreich gemeistert und bietet nun eine ganze Reihe vielversprechender Verpackungslösungen an, die nach Gebrauch von selbst verschwinden.

Margaux Deguerre mit Seetang Margaux Deguerre von vom britischen Start-up Notpla.

Die Idee von Rodrigo García González und Pierre-Yves Paslier für eine völlig neue Verpackung entstand zwar nicht in einer für ein Start-up typischen Garage, doch die Küche der beiden spielte in den Anfängen von Notpla eine wichtige Rolle. Dort tüftelten die beiden an einer Rezeptur für ein Material, das nicht nur praktikabel, sondern auch vollständig biologisch abbaubar sein sollte. Der Ansporn kam aus einem Projekt, das die Erfinder während ihres Masterstudiums für Innovation Design Engineering am Emperial College in London auswählten. Beide interessieren sich für das Thema Plastikmüll und suchen nach innovativen Alternativen zu Einwegkunststoffen.

Da Früchte mit ihren Schalen ein in der Natur vorkommendes Beispiel für Verpackungen bilden, versuchten sie dieses Vorbild nachzuahmen. Zunächst schauten sie sich an, welche Techniken in der Lebensmittelindustrie oder in der Küche zur Verkapselung von Flüssigkeiten bereits existieren. Mit Algenextrakten stießen sie schließlich auf einen geeigneten Kandidaten. Diese Extrakte werden schon erfolgreich verwendet, um durch eine spezielle Technik eine Kaviarimitationen herzustellen. Nachdem der geeignete Rohstoff gefunden war, versuchten sie, die kleinen Kaviarbläschen zu vergrößern. Nach vielen Prototypen konnten sie schließlich größere Blasen produzieren, die transparent und essbar waren – die ersten Oohos waren geboren.

Ein Online-Video, das die beiden damals produzierten, stieß in den sozialen Medien auf großes Interesse – ein Video von Business Insider wurde über 20 Millionen Mal angesehen! Dies motivierte sie, das Unternehmen Notpla (damals noch Skipping Rock Lab genannt) offiziell ins Leben zu rufen.

 

Auf Wachstumskurs

Wie wichtig die Kommunikation mit potenziellen Kunden und den Konsumenten über verschiedene Medien ebenso wie durch aufmerksamkeitswirksame Aktionen ist, weiß Margaux Deguerre. Sie unterstützt in ihrer Rolle als Marketing and Communication Lead seit Anfang 2021 den Verkauf und will den Bekanntheitsgrad der Produkte steigern. Auch sie hat eine Passion für Nachhaltigkeit und ist von Seetang als vielversprechender Alternative überzeugt. „Es ist mir wichtig, an einer der größten Herausforderungen im Bereich des Umweltschutzes mitzuwirken: der Reduzierung von Verpackungsabfällen“, sagt die Marketingmanagerin. „Was Notpla von anderen Unternehmen der Verpackungsbranche unterscheidet, ist seine Mission. Wir wollen, dass sich Verpackung rückstandslos auflöst, nachdem sie ihren Zweck erfüllt hat“, ergänzt Margaux. Anders als Biokunststoffe könnten die Notpla-Produkte ohne Bedenken im Kompost landen.

Bioabbaubare Verpackungen seien nur ein Aspekt, um das Problem mit Verpackungsabfällen zu lösen. Wo besondere Schutzfunktionen und längere Haltbarkeit benötigt werden, hätten konventionelle Materialien ihre Berechtigung. Dennoch gelte es, die Diskrepanz zwischen der langen Haltbarkeit von Kunststoffverpackungen, wenn sie in die Umwelt gelangen sowie der erforderlichen Nutzungsdauer zu verringern. Wenn Verpackung nur für kurze Zeit erforderlich ist, sollte sie auch ebenso schnell wieder abbaubar sein, meint Margaux.

Die Rohstoffe für das Extrakt bezieht Notpla über ein globales Lieferantennetzwerk. Dabei ist Seetang nicht gleich Seetang. Wie Margaux erklärt, gibt es drei Kategorien, die für die Zwecke des Unternehmens geeignet sind: brauner, roter und grüner Seetang. Die verschiedenen Arten wachsen in unterschiedlichen Gebieten, abhängig von unterschiedlichen Faktoren, wie zum Beispiel der Wassertemperatur. Der Fokus von Notpla liegt dabei auf europäischen Zulieferern, es gibt aber auch Partner in Südamerika und Asien. So wächst roter Seetang hauptsächlich in wärmeren Gewässern. „Unser Ziel ist es, unser Produkt weltweit zu verkaufen. Deshalb ist es wichtig, über Seegraszulieferer zu verfügen“, sagt Margaux.

 

Überraschend vielseitig

Auf Nachschub ist Notpla auch dringend angewiesen. Denn inzwischen haben die Oohos Verstärkung bekommen. Einen Meilenstein erreichte das Unternehmen mit seinen Seetang-basierten Beschichtungen für To-Go-Behälter. Der Türöffner für diese Neuentwicklung war die Partnerschaft mit der Lieferservice-Plattform Justeattakeaway.com. Die Unternehmen haben drei Jahre lang an einer Lösung für Take-away-Behälter gearbeitet und dafür das Design der Verpackungen von Grund auf neu gestaltet. „Wir haben gemeinsam eine beschichtete Box zum Mitnehmen entwickelt, die aus einer Pappe aus besteht, die keine PFAs enthält. Der Karton ist mit unserer Beschichtung aus Seegrasextrakt versehen, die eine fett- und wasserabweisende Barriere bildet“, erläutert Margaux Deguerre. Für das Beschichtungsverfahren gab es glücklicherweise schon geeignete Technologien „Wir mussten lediglich dafür sorgen, dass die Formulierung auf möglichst vielen Standardmaschinen funktioniert“, ergänzt sie. Nach dem Gebrauch können die Kartons ins Papierrecycling oder den Kompost gehen, wo die Beschichtung anders als jene aus Kunststoffen nicht für Probleme sorgt.

Doch bei den Ohoos und den Beschichtungen ist es nicht geblieben: „Vor kurzem haben wir ein Papier aus Meeresalgenfasern entwickelt, das aus Nebenprodukten unserer Produktion besteht. Das Seegraspapier benötigt 30 Prozent weniger Zellstoff als herkömmliches Papier, was den Druck auf die Wälder verringert und gleichzeitig den Rohstoff optimal verwertet“, betont Margaux. Darüber hinaus arbeitet Notpla mit Mode- und Luxusmarken zusammen, um hochwertige Lösungen für Sekundärverpackungen wie Schachteln, Umschläge oder Hüllen zu entwickeln. Als jüngstes Produkt ergänzen Pipetten das Portfolio, die beispielsweise für portionierte Speiseöle Verwendung finden.

 

Vor dem großen Sprung

Als Nächstes will das Unternehmen Folienrollen anbieten, die Kunden dann statt Kunststoffrollen auf ihren Verpackungsmaschinen verarbeiten können. Damit stünden ganz neue Anwendungen für das nachhaltige Material offen. „Um die Skalierung erfolgreich zu meistern, sind viele Testläufe in Bezug auf die Zusammensetzung des Materials, die Prozessparameter und die Leistung erforderlich. Wir arbeiten deshalb mit Experten und führenden Unternehmen zusammen, die gerne auf nachhaltige Materialien umsteigen möchten“, lässt Margaux durchblicken. Auf der Sonderschau „Transition In Packaging By Design“ auf der FACHPACK (Stand in Halle 7 - 432) können die Besucher das gesamte Produktportfolio von Notpla sowie Prototypen für eine starre Verpackungsserie begutachten und mit Margaux Deguerre und Tristan Kaye, Commercial Director bei Notpla, persönlich ins Gespräch kommen. Außerdem haben Besucher die Möglichkeit, Cocktails in den essbaren Ooho-Verpackungen auszuprobieren. Am zweiten Messetag (28. September 2022) wird Margaux Deguerre im Forum PACKBOX in Halle 9, Stand 9-309 um 13 Uhr alle offenen Fragen zum bestehenden und geplanten Portfolio persönlich beantworten können.