Lidl sieht eigenen PET-Kreislauf in Gefahr
14.04.2023 Brands Design Retail Sustainability Artikel

Lidl sieht eigenen PET-Kreislauf in Gefahr

Die Politik auf nationaler und europäischer Ebene will das Mehrwegsystem für Getränke ausbauen. Die Schwarz-Gruppe fürchtet nun, dass eine Listungspflicht Lidls Flaschen-Kreislauf stören könnte. Schwarz stützt sich auch auf eine neue Studie nach der das System von Lidl ökologisch sogar besser sein kann als klassischer Mehrweg.

Flasche zu Flasche: Lidl hat den Kreislauf geschlossen. Flasche zu Flasche: Lidl hat den Kreislauf geschlossen.

Hunderte Millionen Euro hat die Schwarz-Gruppe, zu der auch Lidl gehört, in die Produktion und das Recycling von PET-Flaschen investiert. Knapp 120 Millionen Euro an Sachanlagen weist allein die Bilanz des Schwarz-Teilkonzerns zu Anschaffungspreisen aus, in dem die zwei Recycling-Fabriken gehalten werden. Der Händler hat sein gesamtes Sortiment im Bereich Wasser und Erfrischungsgetränke auf diesen Einweg-Kreislauf ausgerichtet.

Jetzt fürchtet das Unternehmen, dass eine Novelle des Verpackungsgesetzes dem eigenen System wirtschaftlich den Garaus machen könnte, wenn parallel Mehrweggebinde angeboten werden müssten. „Eine Angebots- und Rücknahmepflicht wäre zwangsläufig mit erheblichen ökonomischen und ökologischen Transformationskosten für die gesamte Volkswirtschaft verbunden“, erklärt Lidl-Vorstand Wolf Tiedemann in der Lebensmittelzeitung. „Im Vordergrund der Betrachtung sollten sowohl Kosten und Nutzen für die Umwelt als auch für die Volkswirtschaft stehen.“

Kampagne gegen Mehrwegpflicht

Für die Schwarz-Gruppe, die mit ihrem Kreislaufsystem fast 20 Prozent des Einweg-PET-Marktes abdeckt, wäre das aus Kostensicht wegen der hohen Investitionen in den Flaschenkreislauf „im derzeitig für alle Marktbeteiligten schwierigen wirtschaftlichen Umfeld“ hart.

Auch die Ökobilanz würde sich verschlechtern. Denn: „Kreislaufflaschen sind hinsichtlich der Klima- und Umweltauswirkungen nachweislich mindestens gleichauf mit vergleichbaren Mehrwegsystemen“, erklärt Tiedemann. Die Effizienz des Lidl-Systems wirkt sich auf den CO₂-Ausstoß aus. Ein Parallelbetrieb von Ein- und Mehrweg würde diese Effizienz zunichtemachen.

Nach einer Studie, die Schwarz beim Heidelberger Ifeu-Institut beauftragt hat, liegen die CO₂-Emissionen pro Liter Mineralwasser nur bei gut der Hälfte des Durchschnitts der klassischen Glas-Mehrweg-Sprudelkisten – wenn der Kunde zur 1,5-Liter-Flasche greift. Dabei zahlt sich aus, dass die Neckarsulmer ihren Brunnenbetrieb dezentral aufgestellt haben: Über Deutschland verteilt gibt es fünf Abfüllstandorte. „Unsere Distributionsstrukturen tragen wesentlich zur ökologischen Optimierung unserer Getränkeverpackungen bei“, sagt Tiedemann.

Nicht nur für Lidl und Kaufland hätte dies große Auswirkungen. Auf der Verkaufsfläche führe ein Mehrwegangebot zu einer deutlich sinkenden Produktivität rechnet ein Hersteller, der Einweg- und Mehrweg-Getränke abfüllt, gegenüber der Lebensmittelzeitung vor: Auf einen Palettenplatz passen 240 1,5-l-Flaschen. Also 360 Liter. Mit Mehrweg-Kisten passen auf die gleiche Fläche nur 180 Liter Wasser. Im rückwärtigen Bereich des Marktes müsse für Leergut nochmals dieselbe Fläche bereitgehalten werden. „Mehrweg ist ein kostenintensives Thema“, sagt der Getränkemanager. Auch sei klar, „dass die Ökobilanz von Mehrweg ab einer gewissen Entfernung kippt“. Deshalb beschäftigten sich alle Händler mit diesem Thema.

Eine Studie der Consulting-Tochter des Berliner DIW, die Schwarz beauftragt hat, nennt hierzu Zahlen: Rund 3 Milliarden Euro würde die Durchsetzung des 70-Prozent-Ziels branchenweit alleine den Handel kosten. Außerdem wären demnach 879 Hektar an Verkaufs- und Logistikflächen notwendig sowie 1 Milliarde zusätzliche Lkw-Kilometer. Das sind etwa 1,5 Prozent der knapp 70 Milliarden Lastwagenkilometer, die laut Bundesanstalt für Straßenwesen in Deutschland zuletzt jährlich anfielen.