Mehrweg und Recycling: Welche EU-Staaten die Nase vorn haben
15.05.2023 Look into Europe Länder-/Marktbericht

Mehrweg und Recycling: Welche EU-Staaten die Nase vorn haben

Die Europäische Kommission hat im November 2022 einen Vorschlag zu EU-weiten Vorschriften für Verpackungen vorgelegt. Ziel ist die Verringerung von Verpackungsabfällen um 15 Prozent pro Mitgliedstaat und Kopf bis 2040 im Vergleich zu 2018. Erreicht werden sollen dies durch mehr Recycling, aber auch durch Wiederverwendung – etwa in Form von Mehrweglösungen.

Grünes Europa auf blauem Globus Die Europäische Kommission hat sich im Rahmen des Green Deals ehrgeizige Ziel für die Reduzierung von Verpackungsabfällen vorgenommen.
Verbrauch und Recycling von Verpackungen in den Staaten der EU Kroatien zwar das niedrigste Abfallaufkommen pro Kopf, mit 54,2 Prozent wird aber auch nur ein geringer Teil wiederverwertet.

Den aktuellsten Zahlen der EU zufolge verursacht jeder Bürger pro Kopf und Jahr durchschnittlich 177 Kilogramm Verpackungsmüll. Mit 226 Kilogramm belegt Deutschland dabei den Spitzenplatz, gefolgt von Luxemburg, Italien und Irland. Den wenigsten Verpackungsmüll in der Union verursachten die Kroaten mit 66 Kilogramm. Auch beim Gesamtvolumen liegt Deutschland vorne: 2019 standen beinahe 19 Millionen Tonnen Verpackungsabfall zu Buche. Italien lag mit 13 Millionen Tonnen mit einigem Abstand auf Rang 2. Die EU-Kommission rechnet bis 2030 mit einem weiteren Anstieg der Verpackungsabfälle um 19 Prozent und bei Kunststoffverpackungen um 46 Prozent.

Mit höheren Recyclingquoten und Mehrwegsystemen will Brüssel das in den Griff bekommen. So sollen bis 2023 alle Verpackungen uneingeschränkt recyclingfähig sein. Die wichtigste Maßnahme zur Erhöhung der Recyclingfähigkeit ist dabei nach den Plänen der Kommission die Festlegung von Designanforderungen, die alle Verpackungen erfüllen müssen, um sicherzustellen, dass sie recycelt werden können.

Wo klappt das Recycling?

Ob eine Verpackung recycelt werden kann und wird, variiert in den Mitgliedsländern noch stark. So hat Kroatien zwar das niedrigste Abfallaufkommen pro Kopf, mit 54,2 Prozent wird aber auch nur ein geringer Teil wiederverwertet. Nur Ungarn (48,1 Prozent), Rumänien (22,6 Prozent) und Malta (40 Prozent) recycelten damit weniger Verpackungsmaterial und konnten die aktuelle von der EU veranschlagte Quote von 55 Prozent nicht erreichen. Bei den Statistiken wird die Gesamtmenge der anfallenden und recycelten Verpackungsabfälle bestehend aus allen Verpackungsmaterialien berücksichtigt, z. B. Glas, Papier und Karton, Metall, Kunststoff, Holz und andere. Auch die Recyclingvorgaben sind nach Materialgruppen gewichtet.

Bei den Vorgaben für Kunststoffverpackungen riss Frankreich die Latte und konnte mit 21,4 Prozent das Ziel von 22,5 Prozent nicht erreichen und war damit mit Malta (10,2 Prozent) das einzige Land, dem das nicht gelang.

Verpackungen aus Papier und Pappe gehören in der Europäischen Union (EU-27) zu den am häufigsten recycelten Verpackungsarten. In den letzten Jahren meldeten fast alle EU-Mitgliedstaaten eine Recyclingquote von mehr als 70 Prozent, sechs erreichten sogar Raten von mehr als 90 Prozent. 

Malta bildet auch hier das Schlusslicht und kann nur eine Recyclingquote von weniger als 50 Prozent für Papier- und Kartonverpackungen aufweisen.

Deutschland lag mit einer Quote für alle Verpackungsmaterialen von 68,1 Prozent knapp über dem EU-Durchschnitt von 64,2 Prozent und hat damit noch einiges aufzuholen – gerade mit Blick auf sein hohes Verpackungsaufkommen. Belgien ist mit einer Recyclingquote von 79,2 Prozent schon um einiges besser aufgestellt und auch die Niederlande liegt mit 78,8 Prozent nur knapp hinter dem Spitzenreiter.

Das Bild wird allerdings erst komplett, wenn die Sammelquote mit berücksichtigt wird. Alle EU-Mitgliedstaaten und EWR/EFTA-Länder sind verpflichtet, eine Rückgewinnung von 60 Prozent der Verpackungsmaterialien zu erreichen. Die Verwertung umfasst die energetische Verwertung von Verpackungsabfällen, andere Formen der Verwertung und das gesamte Recycling. Die Verwertungsquoten lagen in Polen (59,9 Prozent), Ungarn (55,3 Prozent), Kroatien (54,7 Prozent), Rumänien (42,5 Prozent) und Malta (40,0 Prozent) unter der Zielvorgabe.

EU-weite Mehrweg-Vorschriften

Als zweites Standbein der Abfallverringerung hat sich die EU Mehrwegverpackungen auf die Fahnen geschrieben und bemängelte, dass in den letzten zwei Jahrzehnten ein starker Rückgang zu beobachten war. Deshalb sollen Unternehmen künftig den Verbrauchern einen bestimmten Prozentsatz ihrer Produkte in wiederverwendbaren oder nachfüllbaren Verpackungen anbieten. Um die Rückgabe zu erleichtern, plant die Kommission, einige Verpackungsformate zu standardisieren und klare Kennzeichnungen für wiederverwendbare Verpackungen vorzuschreiben.

Für Skandinavien, die baltischen Staaten, Deutschland, Belgien, Kroatien und die Niederlande ist das Pfandsystem für Getränkeflaschen und -dosen aus Glas, PET und Aluminium nichts Neues. Die Industrie hat teilweise bereits freiwillige Pfandsysteme für Mehrwegverpackungen eingeführt. In einigen Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) gibt es zudem gesetzlich vorgeschriebene Pfandsystem – hauptsächlich für Getränkebehälter. Länder des Südens wie Spanien, Portugal und Frankreich beginnen gerade erst mit dem Aufbau von Pfandsystemen. Gleichzeitig bereitet die Europäische Union eine harmonisierte Verordnung für Mehrwegverpackungen vor.

Die Europäische Kommission vertritt den Standpunkt, dass verpflichtende System am erfolgreichsten sind, um sogenanntes Littering – also das Entsorgen in der Natur – zu reduzieren. Pfandsysteme würden dafür sorgen, dass ein möglichst großer Anteil der Verpackungen wieder dem Kreislauf zurückgeführt werden. 

„Ein beträchtlicher Teil des Recyclingpotenzials (insbesondere – aber nicht nur – zwischen Deutschland und Dänemark) geht jedoch dadurch verloren, dass die Verbraucher Getränke in einem Land kaufen und die Verpackungen in einem anderen wegwerfen“, betont die Kommission in einer Mitteilung. Eine Zersplitterung des gemeinsamen Marktes könnte durch eine Harmonisierung der nationalen Systeme oder die Einführung eines verpflichtenden Pfandrückerstattungssystems für den gesamten EWR vermieden werden.

Grenzüberschreitende Best-Practice-Beispiele gibt es in Bereichen wie Transport- und Industrieverpackungen: Durch die Standardisierung von Kunststoffkisten und -paletten für Lebensmittel und andere Produkte kann oft schon ein geschlossener Kreislauf geschaffen werden.

Allerdings ist Mehrweg nicht immer die bessere Lösung, vor allem dann, wenn lange Transportwege zwischen den Sammelstellen, Reinigung und Wiederbefüllung nötig sind. In manchen Fällen können Einwegverpackungen deshalb ökologischer sein. Es ist also wichtig, die Umweltauswirkungen von Mehrweg- und Einwegverpackungen individuell zu betrachten und abzuwägen.