Zwischen Vorurteilen und Realität: Die Verpackungstechnologie als Zukunftsbranche
16.09.2023 Insights Artikel

Zwischen Vorurteilen und Realität: Die Verpackungstechnologie als Zukunftsbranche

Die Verpackungstechnologie befindet sich am Puls der Zeit – an der Schnittstelle zwischen technologischer Innovation und ökologischer Nachhaltigkeit. Dennoch kämpft der Sektor mit einer schwindenden Anzahl qualifizierter Fachkräfte und mangelnder Nachfrage unter Studieninteressierten. Wie kann dem entgegengewirkt werden?

Student vor einer grünen Tafel mit mathematischen Gleichungen. Studierende im Bereich des Verpackungswesens erwarten verschiedene Exkursionen, Messebesuche und nicht zuletzt die Möglichkeit zum Studierendenaustausch.

Verpackungstechnik und Verpackungsmaschinenbau stehen an der Schnittstelle von Innovation und ökologischer Nachhaltigkeit und waren, wie Marc Funke, Geschäftsführer des Verpackungsmaschinenclusters Packaging Valley, betont, „noch nie so wichtig wie heute“. Trotz des enormen Potenzials kämpft die Branche mit einem Fachkräftemangel und sinkenden Absolventenzahlen in technischen Studiengängen. Diese Entwicklung ist nicht ausschließlich demografisch bedingt, sondern spiegelt auch gesellschaftliche Veränderungen wider. Erschwerend kommt hinzu, dass viele junge Menschen nur unzureichend über die Berufs- und Studienmöglichkeiten in der Verpackungstechnik informiert sind.

Um diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken, sind aus Sicht der Experten eine intensivere Aufklärungsarbeit, die frühzeitige Förderung der Technikbegeisterung und eine engere Zusammenarbeit zwischen Industrie und Hochschulen unerlässlich.

 

Verpackungstechnologie ist kaum auf dem Radar

Aus seiner Erfahrung als Studiendekan des Bachelorstudienganges Verpackungstechnologie und Nachhaltigkeit an der HTWK Leipzig weiß Professor Dr.-Ing. Eugen Herzau, dass beispielsweise der Studiengang „Verpackungstechnologie und Nachhaltigkeit“ weitgehend unbekannt ist. „Viele junge Menschen können sich nicht vorstellen, dass man ‚so etwas‘ studieren kann.“ Das kann auch Prof. Dipl. Ing. Stefan Junge von der Berliner Hochschule für Technik, Fachbereich Verpackungstechnik bestätigen. Nach seinen Erfahrungen fehlt bei den jungen Menschen die konkrete Vorstellung über das Studium und die späteren Berufs- und Karrieremöglichkeiten. „Zu wenige wissen, dass es überhaupt eine Ausbildung oder Studiengang in der Verpackungsbranche gibt und wie abwechslungsreich die Studieninhalte und späteren Einsatzmöglichkeiten sind“, so Junge. Hinzu kommt laut Herzau, dass entsprechende Studiengänge in den Berufsberatungszentren der Agentur für Arbeit kaum bis gar nicht erwähnt würden.

Prof. Junge weist zudem auf die sogenannte „demografische Delle“ hin: „Es gibt zu viele Studien- und Ausbildungsplätze für zu wenige Schulabgänger.“ Außerdem erschwert nach seinen Worten der Wildwuchs an immer neuen Studienrichtungen, die die Aufmerksamkeit der Studienanfänger auf eine breite Palette an Optionen lenken und dadurch die klassischen, bodenständigen Ausbildungsberufe in den Hintergrund rücken. 

Ein großes Problem sieht Funke allerdings in den Vorurteilen der Jugendlichen gegenüber dem Studienfach wie „Verpackung ist Müll oder wir brauchen keine Verpackung“. Auch Herzau betont, dass die Branche in vielerlei Hinsicht missverstanden werde. Vorurteile entstünden oft aus Unwissenheit. Um diese abzubauen, schlägt er einen mehrgleisigen Ansatz vor. Das beginne bei der Aufklärungsarbeit in Berufsinformationszentren und Schulen im Rahmen von Berufsinformationstagen, gehe über Projekte mit Firmen der Verpackungsbranche und reiche bis zu Beiträgen in Medien aller Art: „Eine interessante Idee wäre eine Fernsehsendung, die sich mit nachhaltigem Leben und dem sinnvollen Umgang mit Verpackungen beschäftigt“. Marc Funke betont auch die Bedeutung von Initiativen wie dem Packaging Valley Makeathon und ruft Hochschulen und Unternehmen zur Zusammenarbeit auf, um das Image der Branche zu verbessern, „indem man sich an Aktionen wie dem Makeathon beteiligt und viele praxisnahe Projekte durchführt, um Verpackungstechnik greifbar und erlebbar zu machen“.

 

Chance zur Mitgestaltung der Zukunft

Die Branche bietet durchaus ein breites Spektrum an beruflichen Möglichkeiten und Themenschwerpunkten. „Diese reichen von Nachhaltigkeit und Recycling über Mehrwegverpackungen und neue Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen bis hin zu biologischer Abbaubarkeit und nachhaltiger Verpackungsentwicklung“, erklärt Prof. Herzau und verweist auf die vielfältigen Berufsmöglichkeiten, die von Packmittelherstellern über Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikunternehmen bis hin zu Recyclingunternehmen, Designagenturen, Druck- und Verpackungsmaschinenbau sowie Behörden und Bildungseinrichtungen reichen.

Ein weiterer Pluspunkt des Studiums ist, dass großer Wert auf die Verbindung von Theorie und Praxis gelegt wird. Das Curriculum ist breit gefächert und bietet eine abwechslungsreiche Auswahl an Vorlesungen zu Themen wie Verpackungstechnik, Umwelt und Design oder Marketing, Entwicklung, Konstruktion, Maschinentechnik, Optimierung und Betriebswirtschaft. 

Die Studierenden erwarten laut Prof. Junge verschiedene Exkursionen, Messebesuche und nicht zuletzt die Möglichkeit zum Studierendenaustausch. „Ein Auslandssemester an Partnerhochschulen in Ländern wie Frankreich, den USA oder der Ukraine ist ebenfalls möglich, um den internationalen Horizont zu erweitern. Im Masterstudium wird verstärkt darauf geachtet, die Studierenden auf zukünftige Führungsaufgaben vorzubereiten“, beschreibt er die vielversprechenden Möglichkeiten. 

Auch die Berufsperspektiven sind vielfältig: Viele, denn die Fähigkeit zu interdisziplinärem Denken, Handeln und Kooperieren zeichnet die Absolventen aus und diese Kompetenzen sind stark gefragt", so Funke. Neben der fachlichen Vielfalt betont Prof. Junge auch die gesellschaftliche Relevanz der Branche. Absolventen können nicht nur mit gut bezahlten Jobs rechnen, sondern auch einen sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten. „Wer die Zukunft aktiv mitgestalten will, für den ist ein Studium der Verpackungstechnik genau das Richtige“, bestätigt Funke. 

Herzau weist in diesem Zusammenhang auch auf zahlreiche Initiativen hin, die mehr Aufmerksamkeit verdienten: „Die Bemühungen der Packstoff- und Packmittelhersteller sind auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Leider werden sie gerade von der jüngeren Generation oft nicht ausreichend wahrgenommen. Es ist immer wieder etwas Neues und damit Spannendes, in Teams an Projekten zu arbeiten. Oft sehen unsere Absolventen die Ergebnisse ihrer Arbeit im Regal wieder und sind dann stolz“.

Für die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Industrie empfiehlt Herzau einen gemeinsamen Auftritt in Schulen, „um über die Branche und die verschiedenen Berufsbilder zu informieren. Das würde nicht nur das Image der Branche verbessern, sondern auch mehr junge Menschen für ein Studium der Verpackungstechnik begeistern“. Auch Marc Funke empfiehlt, „dass Unternehmen frühzeitig den Kontakt zu Schulen suchen und zeigen, wie spannend eine Tätigkeit in der Verpackungstechnik ist“. Er plädiert dafür, die Begeisterung für Technik bereits in der Grund- oder Hauptschule zu wecken.

Darin sind sich Herzau, Junge und Funke einig: Mehr Kooperation und bessere Kommunikation sind jetzt gefragt, um den Nachwuchs für diese vielseitige und zukunftsorientierte Branche zu gewinnen.