Von der Chipstüte zur energiesparenden Kühlfolie
12.09.2023 Sustainability New Paths Design Artikel

Von der Chipstüte zur energiesparenden Kühlfolie

Aluminium-Kunststoff-Verbundfolien (APL) werden oft zur Verpackung von Lebensmitteln verwendet. Für das Recycling sind sie jedoch eine Herausforderung. Forscher unter Leitung des Bayreuther Physikochemikers Prof. Dr. Markus Retsch haben jetzt ein Upcyclingverfahren entwickelt, das derartigen Folien eine innovative Zweitverwendung ermöglicht.

Dr. Qimeng Song (links) und Prof. Dr. Markus Retsch (rechts) haben ein Upcyclingverfahren für Kartoffelchipstüten entwickelt. Dr. Qimeng Song (links) und Prof. Dr. Markus Retsch (rechts) haben ein Upcyclingverfahren für Kartoffelchipstüten entwickelt.

Aluminium-Kunststoff-Verbundfolien, kurz APL (Aluminum-Plastic Laminates), werden schon lange eingesetzt, um die Haltbarkeit darin verpackter Lebensmittel zu verlängern, beispielsweise von Chips oder Kaffee. Die Folien bestehen aus mehreren Polymerschichten und einer Aluminiumschicht, welche die Produkte vor schädigenden Faktoren schützt – insbesondere vor Sonneneinstrahlung und Hitze, aber auch vor Feuchtigkeit und Sauerstoff. Das Recycling derartiger Kompositfolien ist jedoch infolge der Kombination verschiedener Materialien nur schwer möglich. Als Lösung, so eine neue Studie, könnte ein Upcycling von gesammelten Folien infrage kommen.

Ein an der Universität Bayreuth im Bereich „Physikalische Chemie“ entwickeltes Upcyclingverfahren von Kartoffelchipstüten weist aber einen Weg, um die Verwertung von APL-Folien zu verbessern – und zugleich den globalen Energieverbrauch abzusenken. Schließlich machen Kühlsysteme nach Angaben der Universität aktuell rund 15 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs aus. Angesichts des Klimawandels und der dadurch bedingten Häufigkeit von Hitzewellen droht dieser Anteil weiterhin zu steigen.

Die Hintergründe

Die Aluminiumschicht von APL-Verpackungen stellt eine gut spiegelnde Oberfläche dar, wie man sie beispielsweise von Rettungsdecken kennt. Wird nun eine klare Polymerschicht aufgetragen, die die Abstrahlung von Wärmeenergie begünstigt, ist nach Einschätzung der Wissenschaftler ein leistungsstarkes Kühlsystem komplett. Eine einfache Laminierfolie, wie sie im Bürofachhandel gebräuchlich ist, reiche als Material für die Beschichtung bereits aus. Durch die Beschichtung entstünden Kühlfolien, die auf beliebigen Oberflächen unter freiem Himmel – wie etwa auf Schirmen, Jalousien und Markisen – aufgebracht werden könnten und so eine Aufheizung durch grelles Sonnenlicht verhindern würden. Gleichzeitig werde die bereits vorhandene Umgebungswärme in das kalte Weltall abgegeben, ohne dass eine externe Energiezufuhr nötig sei. Diese Effekte werden in der Forschung als „passive Tageskühlung“ bezeichnet. Sie können im Idealfall selbst bei intensiver Sonneneinstrahlung zu Temperaturen unterhalb der Umgebungstemperatur führen.

Ermöglicht wird die passive Tageskühlung nach Angaben der Wissenschaftler dadurch, dass die verwendeten Materialien spezielle optische Anforderungen erfüllen. Sie müssen einen möglichst hohen Anteil des Sonnenlichts, das eine Wellenlänge zwischen 0,3 und 2,5 Mikrometern hat, streuen oder reflektieren. Im Wellenlängenbereich zwischen acht und 13 Mikrometern, dem Transparenzfenster unserer Atmosphäre, müssen sie hingegen möglichst viel Wärmeenergie in Form von Infrarotstrahlung ins Weltall aussenden. Aluminium-Kunststoff-Verbundfolien erfüllen diese Voraussetzungen sehr gut.

Nachweis erbracht

Am Beispiel von beschichteten handelsüblichen Kartoffelchipstüten haben die Bayreuther Forscher nachgewiesen: Rund 87 Prozent des Sonnenlichts werden durch die Aluminiumschicht reflektiert. Durch die zusätzliche Polymerbeschichtung der neuen nachhaltigen Kühlfolien wird den Angaben zufolge die Abstrahlung im Bereich des Transparenzfensters der Atmosphäre verbessert und dadurch Wärme direkt ins Weltall abgegeben.

Prof. Dr. Markus Retsch und sein Mitarbeiter Dr. Qimeng Song haben unterschiedliche Möglichkeiten erprobt, Kartoffelchipstüten und andere APL-Verpackungen in effiziente Kühlmaterialien zu verwandeln. Infrage kommen demnach industrielle Verfahren, bei denen Polydimethylsiloxan (PDMS) als Beschichtungsmaterial eingesetzt wird. Es sei aber auch denkbar, dass die Beschichtung künftig in Privathaushalten stattfinde. Einfache handelsübliche Laminiergeräte reichten aus, um aus alten APL-Verpackungen Kühlmaterialien herzustellen, die als Hitzeschilde auf der Terrasse, dem Balkon, an Außenwänden oder auf dem Dach montiert werden können. Eine Idee, die in die Zukunft weist.