Verpackungsindustrie im Wandel: Materialkompetenz als Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit
08.06.2023 Industry Look into Europe Artikel

Verpackungsindustrie im Wandel: Materialkompetenz als Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit

Auf der FACHPACK stellte das Beratungsunternehmen Horváth & Partners die Ergebnisse einer umfassenden Branchenstudie über die europäische Verpackungsindustrie vor. Sie untersuchte aktuelle Trends und Entwicklungen und wie die Branche trotz der Herausforderungen weiter wachsen kann. Lesen Sie hier die Highlights oder schauen Sie sich den kompletten Vortrag unten im Video noch einmal an.

Mag. Christoph Kopp verantwortet als Associate Parnter den Bereich Paper & Packaging Mag. Christoph Kopp verantwortet als Associate Parnter bei Horváth & Partners den Bereich Paper & Packaging.
Horváth & Partners, eine international tätige Unternehmensberatung mit weit über 1.000 Mitarbeitern, hat seinen Schwerpunkt in der Verpackungsbranche im deutschsprachigen Raum und insbesondere in Österreich. Zu den Kunden zählen Großkonzerne ebenso wie der Mittelstand. Mag. Christoph Kopp verantwortet als Associate Partner den Bereich Paper & Packaging. Er stellte auf der FACHPACK die Ergebnisse einer Branchenstudie zur europäischen Verpackungsindustrie vor, die sein Unternehmen Anfang 2022 veröffentlicht hat. Die Studie beleuchtet Entwicklungen in der Branche, basierend auf Interviews mit Top-Managern verschiedener Verpackungsunternehmen und quantitativer Datenanalyse durch das Forschungsteam des Unternehmens. Wenig überraschend: Nachhaltigkeit wurde als ein dominierendes Thema identifiziert. Vor diesem Hintergrund kommt laut Kopp insbesondere der Materialkompetenz eine wichtige Rolle bei der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Verpackungsunternehmen zu.

Wie der Experte betont, wird die europäische Verpackungsindustrie weiterhin moderat wachsen – je nach Region und Sektor mit einem jährlichen Wachstum von ein bis drei Prozent. Faktoren wie demografischer Wandel und eCommerce tragen zum Wachstum bei, während Material- und Verpackungseffizienz sowie Verpackungsvermeidung die Absätze sinken lassen. „Die Branche hat in den letzten Jahren gute Gewinnspannen erzielt, aber der Spielraum ist begrenzt“, meint Kopp. Allerdings könne die digitale Transformation zu effizienteren Wertschöpfungsprozessen führen und größere Unternehmen sind laut Kopp in der Lage Skaleneffekte erzielen.

Vom Verpackungshersteller zum Material-Manager

Die befragten Manager haben einen starken Marktdruck zum Thema Nachhaltigkeit wahrgenommen, der insbesondere von größeren Unternehmen und Konzernen ausgeht. Deshalb werden Hersteller, die in Bezug auf Nachhaltigkeit führend sind, nach Auffassung von Kopp, wahrscheinlich in Zukunft auch im Wettbewerb am erfolgreichsten sein. Unterschiede sieht das Beratungsunternehmen zwischen großen Konzernen, die bereits weit fortgeschritten sind, dem Mittelstand, der sich noch mit dem Thema auseinandersetzt, und kleineren Unternehmen, die noch ihre Position bestimmen.

Verpackungsunternehmen sollten sich laut Kopp in der Wertschöpfungskette als Zulieferer sehen und wie sie den Rückgriff auf Rohmaterialien sicherstellen. „Angesichts der Kreislaufwirtschaft bedeutet dies, dass Verpackungshersteller Zugang zu recyceltem Material benötigen. Dies stellt eine Herausforderung dar und Vorteile werden für diejenigen bestehen, die Zugriff auf Abfall- und Materialressourcen haben“, ist der Berater überzeugt. Aktuell würden deshalb viele Verpackungsunternehmen dazu tendieren, sich stärker in die Recyclingprozesse zu integrieren und in Recyclingeinheiten zu investieren.“ Da sich dieser dezentralisierte Geschäftsbereich stark vom traditionellen Verpackungsgeschäft unterscheidet, ist das allerdings keine ganz einfache Aufgabe. Das Potenzial ist allerdings verlockend und zieht Verpackungshersteller ebenso wie Unternehmen der Abfallwirtschaft und der chemischen Industrie an.

Mit Blick auf Nachhaltigkeit gibt es weitere effektive Hebel für die Verpackungsindustrie, so Kopp, darunter Prävention und Materialeffizienz. „Beim Recycling denken wir an zwei Komponenten: die Nutzung von Recyclingmaterial für Verpackungen und das Recyclingfähig-Machen der Verpackungen selbst. Bei bestimmten Anwendungen ist auch Mehrweg eine Option“, führt Kopp aus. Damit stellen sich ganz neue Anforderungen an das Verpackungsdesign. Denn die Produkte müssen so konzipiert werden, dass sie wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Während das bei Papier zu großen Teilen gelingt, ist bei Kunststoff noch Spielraum nach oben. So kommt relativ wenig davon wirklich in den Kreislauf zurück und was zurückkommt, wird oft herabgestuft. Die Herausforderung liegt nach den Worten von Kopp darin, die entsprechenden Rezyklate zu wettbewerbsfähigen Preisen zu bekommen und gleichzeitig eine ausreichende Menge sicherzustellen.

Die CO2-Reduktion ist ein weiteres zentrales Thema, das sich in der Studie herauskristallisiert hat. Aber die aktuell zur Verfügung stehenden Technologien zeigen den Bemühungen Grenzen auf, insbesondere bei energieintensiven Verfahren wie der Papierherstellung. „Es ist essentiell, die CO2-Bilanz und den Schutz durch Verpackung zusammen zu betrachten, da verpackte Produkte oft einen höheren CO2-Fußabdruck als die Verpackung selbst aufweisen“, so Kopp. 

Die Herausforderungen der Zukunft meistern

Für die Zukunft prognostizierte der Verpackungsexperte aus Österreich eine stärkere Substitution von Plastik durch Papier. Schon jetzt zeige sich ein höheres Wachstum bei Papierverpackungen im Vergleich zu Plastikverpackungen. Dennoch habe die Plastikverpackung insgesamt einen größeren Anteil, insbesondere bei flexiblen Lösungen. Außerdem könne nicht jede Kunststoffverpackung eins zu eins durch Papier ersetzt werden, z. B. aufgrund der Barriereeigenschaften. „Die Nachfrage nach Recyclingpapier nimmt zu, und das Wachstum und die Profitabilität werden sich in den nächsten Jahren wahrscheinlich angleichen“, sagt Kopp. 

Ein weitere wesentlicher Faktor für das künftige Wachstum ist die Verpackungsfunktionalität, die beim Design beginnt und sich bis hin zu Aspekten wie Rückversandmöglichkeiten und Bequemlichkeit erstrecken. Allerdings wird das Wachstum in der Verpackungsindustrie durch das Thema Materialeffizienz ausgebremst. 

Abschließend verwies Kopp auf die Herausforderungen durch die Volatilität und Preissteigerung von Rohstoffen und Energie. Diese Kostensteigerungen betreffen Materialien wie Stahl, Papier und Kunststoff, wobei Metall die größten Preisschwankungen aufweist. „Aufgrund aktueller geopolitischer Unruhen und wirtschaftlicher Entwicklungen, einschließlich der Gefahr einer Rezession und einer Hochzinsphase, müssen wir in den kommenden Monaten und Jahren mit diesen Schwankungen rechnen“, stellte der Berater fest. Unternehmen sollten deshalb das Materialpreismanagement nicht isoliert betrachten, sondern es als End-to-End-Thema behandeln. Es sei wichtig, zu lernen, mit Veränderungen umzugehen und alle relevanten Akteure, wie Einkauf, Marktintelligenz, Vertrieb und Produktion, in diesen Prozess einzubinden, um eine erfolgreiche Strategie zu entwickeln.
 

Mag. Christoph Kopp, Associate Partner, Horváth & Partners