Mindeststandards für Verpackungsrecycling: Neuer Anlauf im kommenden Sommer
16.09.2023 Sustainability Insights Artikel

Mindeststandards für Verpackungsrecycling: Neuer Anlauf im kommenden Sommer

Die neuen Mindeststandards 2023 zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen sind veröffentlicht, und sie kommen mit weniger Aufregung als erwartet. Während strittige Entscheidungen auf das nächste Jahr verschoben wurden, legen die diesjährigen Richtlinien den Fokus auf Lichtdurchlässigkeit von Glas und den Einsatz von Nitrocellulose in Druckfarben.

Gebrauchte Kunststoffflaschen in einen Ballen gepresst Strittige Entscheidungen bei den Mindeststandards für das Verpackungsrecyling wurden ins kommende Jahr verschoben.
Seit 2019 werden die Mindeststandards für das Verpackungsrecycling jedes Jahr im ausgehenden Sommer präzisiert. Ihr Ziel: Ein möglichst hochwertiges Recycling gebrauchter Verpackungen zu erzielen. Seit dem 1. September ist die Katze ist aus dem Sack, die Mindeststandards 2023 zur Bemessung der Recyclingfähigkeit systembeteiligungspflichtiger Verpackungen nach §21 Verpackungsgesetz liegen vor. Die neuen Anforderungen sind überschaubar ausgefallen, die erwartete Neuaufstellung des Systems dahinter fiel aus.

Die Mindeststandards werden einvernehmlich von der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) und dem Umweltbundesamt (UBA) veröffentlicht, um eine methodisch auf einheitlicher Basis ermittelte Recyclingfähigkeit von Verkaufs- und Umverpackungen zu ermöglichen. Auf die Veröffentlichung wartet nicht nur die Verpackungsbranche gespannt, auch für Handel und Markenartikelindustrie sind die darin definierten Richtlinien von nachhaltiger Relevanz. Vergangenes Jahr warf das Team um ZSVR-Vorstand Gunda Rachut Verpackungen aus Papier, Pappe und Karton einem genaueren Blick. Das Urteil lautete im September 2021: „Ein Trend mit faserigem Beigeschmack: Im Zuge des ‚Kunststoff-Bashings‘ werden immer mehr faserbasierte Verpackungen produziert, in denen unter anderem Teigwaren, Kaffee oder Wurst vertrieben werden. Diese suggerieren den Verbrauchern zwar einen ökologischen Mehrwert, lassen sich allerdings in Wahrheit oftmals schlechter recyceln als sortenreine Kunststoffverpackungen“. Das war eine Aussage, die saß. Nicht alles ist ökologisch, was nachhaltig aussieht.

Dieses Jahr blieb der große Aufreger aus, denn das sogenannte „Konsultationsverfahren“ zwischen den Interessenvertreten aus Handel, Industrie und Dualen Systemen (Entsorgern) lief in diesem Sommer kontrovers. In der Abstimmung konnte kein gemeinsamer Nenner gefunden werden. Strittige Entscheidungen wurden deshalb ins kommende Jahr verschoben. Streitpunkt war hierbei die geplante Umstrukturierung im sogenannten Anhang 1, der das Vorhandensein von Sortier- und Recyclinginfrastruktur für verschiedene Verpackungen beziehungsweise das Erfordernis für Einzelnachweise eines erfolgten Recyclings abbildet. Dadurch sahen etliche Interessenvertreter eine Überforderung auf die Systembeteiligten zukommen. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte das eine Flut von Einzelnachweisen für die Inverkehrbringer und deren Verpackungen nach sich gezogen. Ein wahnsinniger bürokratischer Mehraufwand. Beim Verpackungsregister in Osnabrück herrscht jedoch Einigkeit: „Der Weg, die Recyclingkapazitäten stärker in den Fokus zu nehmen, ist richtig und wird weiterverfolgt, jedoch nicht mit dem Mindeststandard 2023“, teilt Rachut mit. Das Thema sei ohnehin hoch priorisiert im Entwurf der geplanten Europäischen Verpackungsverordnung. Es sei damit zu rechnen, dass Verpackungen künftig immer wiederverwendbar oder recycelbar sein müssen; auch wenn konkrete Anforderungen und Grenzwerte der zu erwartenden europäischen Regelungen noch nicht abschließend definiert seien. Sich darauf frühzeitig und strukturiert vorzubereiten, sei eine Chance und sichere die Verkehrsfähigkeit der Verpackungslösung, heißt es seitens ZSVR aus Osnabrück.

Die wichtigsten Neuerungen dieses Jahr sind: Im aktuellen Mindeststandard wurde einen Grenzwert für die Lichtdurchlässigkeit (Transluzenz) von Glas definiert. Daraus ergibt sich, ob eine Verpackung aus Glas verwertbar ist. Ist eine Glasverpackung nicht lichtdurchlässig, wird sie in den Anlagen als Störstoff aussortiert, da sie nicht recyclingfähig ist. Dies ist zum Beispiel bei lackierten Flaschen der Fall. Zudem sieht der Mindeststandard jetzt Nitrocellulose in Druckfarben als Hindernis für das Recycling an. Nitrocellulose-basierte Druckfarben im Zwischendruck werden deshalb als nicht recyclingfähig eingestuft. Sie beeinträchtigten aufgrund einer eingeschränkten Temperaturbeständigkeit den mechanischen Recyclingprozess und minderten die Qualität von Rezyklaten. Betroffen ist davon jedoch nur ein relativ kleines, überschaubares Marktsegment.

Gleich wie zum Goldstandard taugt der Mindeststandard wohl nicht für alle in der Recyclingwertschöpfungskette. Ausgerechnet das ZSVR-Stiftungsorgan, die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK), lässt durch ihre Geschäftsführerin Dr. Isabell Schmidt verlauten: „Der Mindeststandard richtet sich ausschließlich an die Dualen Systeme. Er ist – anders als teilweise wahrgenommen – kein verbindlicher ‚Design for Recycling‘-Leitfaden für die Wirtschaft.“ Soll heißen: Die neue Einstufung hat keinen Einfluss auf die Vermarktungsfähigkeit. Auch finanzielle Nachteile im Rahmen der Beteiligungsentgelte bei den Dualen Systemen seien gegenwärtig nicht zu erwarten. Letzteres könnte sich allerdings ändern, wenn die Bundesregierung die angekündigte Reform des Paragrafen 21 Verpackungsgesetz beschließt. Dann soll ein Anreizsystem die Inverkehrbringer hochwertig recyclingfähiger Verpackungen belohnen.