Kunststoffbranche bietet Alternativen für Paletten aus Holz
24.11.2023 Retail Brands Industry Look into Europe Artikel

Kunststoffbranche bietet Alternativen für Paletten aus Holz

Paletten und Transportkisten verbrauchen viel Holz, rund sechs Millionen Kubikmeter im Jahr, ein Viertel der deutschen Schnittholzproduktion. Mit enger werdendem Holzmarkt steigen zudem die Palettenpreise. Daher werden Alternativen gesucht. Oft sind diese aus Kunststoff.

Kunststoff als Alternative zu Holzpaletten Im Idealfall laufen Kunststoffpaletten auf den üblichen Ketten- und Rollenförderanlagen problemlos neben Holzpaletten.

Nichts geht in der Logistik ohne Paletten. Ob Joghurt oder Industriemaschine, praktisch jedes Gut wird zwischen Produzent, Lager, Handel oder sonstigen Partnern auf Paletten transportiert. Während Holz hier lange erste Wahl war, wird zunehmend nach Alternativen gesucht. Denn gerade das bevorzugte Fichtenholz könnte dank Klimawandel, Borkenkäfer und Co. in Zukunft knapp werden. Einen Vorgeschmack gab das Corona-Jahr 2021, als durch Bauboom und hohe Auslandsnachfrage die Preise in die Höhe schnellten, Paletten knapp und teuer wurden.

Als Alternativen ins Spiel kommen zum Beispiel Faser-Form-Paletten aus gepressten Papierfasern, solche aus Wellpappe oder auch aus Pressholz, die so genannte Inka-Palette. Hersteller wie Smurfit Kappa, Kraftpal, Telos und viele weitere bieten hier immer stabiler werdende und gleichzeitig leichte Alternativpaletten an. Doch sind diese vergleichsweise empfindlich gegen Feuchtigkeit, gehen leichter kaputt. Die Pressholz-Palette benötigt wiederum Holz. Und sie erreichen meist nicht die Traglast einer Europalette von bis zu 1.500 Kilo.

Hygienischere Alternative zu Holz

Und so landet man auf der Suche nach Holzalternativen häufig bei Kunststoff. Zahlreiche Hersteller haben mittlerweile eigene, hochfeste Kunststoffpaletten entwickelt, etwa Craemer, Orbis Europe oder die Lidl-Schwarz-Tochter PreTurn. Sie sind angelehnt an die Maße klassischer Holzpaletten. PreTurn etwa hat einen geschlossenen Pool ausschließlich mit selbst entwickelten Euro- und Halbpaletten aus Kunststoff aufgebaut. Die Idee sei bei der Suche nach einer stabileren Alternative zur Düsseldorfer Halbpalette entstanden, heißt es. Pooling-Dienstleister IPP hat den Kunststoffpalettenpool des Mitbewerbers Zentek übernommen, um Kunststoffpaletten zu einem festen Standbein zu machen. Gefragt ist Kunststoff vor allem auf der ersten Meile bei FMCG-Zulieferern, im Lebensmittelhandel oder in der Chemie- und Pharmaindustrie, wo strenge Hygienevorschriften herrschen.

Doch wo liegen genau die Vor- und Nachteile von Kunststoff gegenüber Holz? Erster ist in der Anwendung hygienischer. Denn Kunststoffpaletten lassen sich im Prinzip nach jeder Nutzung einfach waschen. Das geht mit Holzpaletten nicht. Deshalb kommt Kunststoff gerne in hygienisch sensiblen Bereichen zum Einsatz. Doch damit hier kein einseitiges Bild entsteht, hat die Holzpalettenindustrie ein eigenes Hygienegutachten erstellen lassen. Im Auftrag der European Pallet Association (Epal) hat das Institut für Holztechnologie in Dresden 2020 die Keimbelastung von Holz- und Kunststoffpaletten untersucht. Das Ergebnis: Holz weist von Natur aus eine höhere antibakterielle Aktivität auf als Kunststoff. Das raue Holz sei – anders als oft behauptet – per se kein Nährboden für Bakterien – im Gegensatz zu den typischen Abriebspuren an Kunststoffpaletten. Allerdings: Für den Einsatz in hygienekritischen Bereichen können Holzpaletten nicht einfach abgewaschen, sondern müssen entweder mit Methylbromid begast oder hitzebehandelt werden.

Und wie sieht es mit der Ökologie aus? PreTurn spricht bei 18 Millionen Umläufen mit der eigenen Halbpalette von weniger als 200.000 defekten Paletten im Jahr. Bei gleicher Umlaufzahl mit der Düsseldorfer Halbpalette hätte man 3,6 Millionen davon reparieren oder ersetzen müssen. In einer Studie des Kunststoffpalettenherstellers Orbis schafften die eigenen Kunststoffpaletten rund 200 Durchläufe, bevor sie kaputt gingen, Holzpaletten unter gleichen Bedingungen nur elf. So würden Ressourcen und Kosten gespart, heißt es. Allerdings: Kunststoff kostet in der Anschaffung zunächst ein Vielfaches. Zudem kommt oft Primärmaterial zum Einsatz.

Michael Horstendahl, selbständiger Verpackungsberater, hält elf Umläufe für sehr wenig – „vielleicht für Einwegpaletten“. Europaletten dagegen könnten durchaus 50 Umläufe schaffen, zumal sie mehrmals repariert werden könnten. Bei Kunststoffpaletten gehe dies nicht – ein klarer Nachteil.

Grundsätzlich sieht der Verpackungsexperte das Problem allerdings ganz woanders. „Wir werden künftig weder genug Holz noch genug Rezyklate haben, um den Bedarf für Transportverpackungen zu decken.“ Daher gelte es, Verpackungen generell zu reduzieren. Holz- durch Kunststoffpaletten zu ersetzen, die dann im Zweifel aus Primärmaterial bestünden, hält er in diesem Szenario durchaus für eine Option. Doch in anderen Bereichen sei dies schlicht nicht möglich. Horstendahl berät zum Beispiel Maschinenbauer, die tonnenschwere Maschinen in die ganze Welt verschiffen. „Hier reicht meine Fantasie nicht aus, um mir vorzustellen, wie das ohne Holz gehen soll“, sagt er.