Lob und Kritik für die neue EU-Verpackungsverordnung
Die Politik lässt der Verpackungsindustrie keine Ruhe. Vor einem Jahr stellte die EU-Kommission eine neue Verordnung für Verpackungen vor, im Frühjahr gab es einen Entwurf für eine deutsche Verordnung. Nun hat das Europäische Parlament eine Novelle, die auf dem Kommissionsvorschlag basiert, verabschiedet.
Im Juni 2024 stehen die nächsten Europawahlen im Kalender, EU-Parlament und Kommission wollen vorher noch möglichst viele neue Verordnungen und Regularien verabschieden. Besondere Bedeutung hat der Green Deal, zu dem das Senken des Müllvolumens gehört, unter anderem bei den Verpackungen. Ansatzpunkte sind die Steigerung der Recyclingquoten und des Anteils an Mehrwegprodukten. Die Parlamentarier haben nun den Entwurf der Kommission für die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) überarbeitet, einige Elemente geändert und abgeschwächt. In der final mehrheitlich angenommenen Version bilden weniger Verpackungen, Einschränkungen bestimmter Typen und ein Verbot der Verwendung von „ewigen Chemikalien" (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) die wichtigsten Ziele. Die Zahl der Verpackungen soll bis 2030 um fünf Prozent, bis 2035 um zehn Prozent und schließlich bis 2040 um 15 Prozent sinken, bei den Kunststoffverpackungen um zehn Prozent (2030), 15 Prozent (2025) und 20 Prozent (2040).
Einwegverpackungen reduzieren
Zu den geplanten Maßnahmen gehören ein Verbot des Verkaufs von Kunststofftragetaschen mit einer Dicke von unter 15 Mikrometern, Ausnahmen sind aus hygienischen Gründen oder bei Primärverpackungen von losen Lebensmitteln vorgesehen. Im Gastronomiebereich sollen Kunden ihre eigenen Behälter zur Mitnahme von Speisen und Getränken nutzen können. 2029 soll es so weit sein, dass 90 Prozent der in den Verpackungen enthaltenen Materialien getrennt gesammelt werden. Gestrichen wurden Wiederverwendungsziele und das Verbot unnötiger Verpackungen.
Weniger Verbote als Pluspunkt
Die Heterogenität der Verpackungsbranche zeigt sich deutlich in den uneinheitlichen Reaktionen auf die Novelle. Die Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt (AGVU) begrüßt den geringeren Anteil von Verboten konkreter Verpackungsformate. Es gebe geeignetere Instrumente wie verpflichtende Minimierungsvorgaben und nationale Reduktionsziele für Verpackungsabfälle, um die Menge der Verpackungen zu reduzieren. Ein Minus liege bei den fehlenden endgültigen Kriterien für die Recyclingfähigkeit. Die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen stuft die Entscheidungen als kurzsichtig ein und warnt vor einem zu starken Austausch der Kunststoffpackungen. In Folge eines Austauschs von zehn Prozent dieser Verpackungen durch alternative Materialien stiegen die Emissionen um zehn bis 14 Prozent an. Die Menge des Verpackungsabfalls könne bei der Umsetzung um zehn bis 20 Prozent höher liegen. Durch Sonder-Reduktionsziele für Kunststoffverpackungen oder die Ausnahmen von Verbundverpackungen von den Rezyklateinsatz-Quoten könnten die ökologischen Ziele ausgehöhlt werden. Die ausgeweiteten Sonderregeln gefährdeten die Transformation hin zu weniger Verpackungsabfällen, besser recycelbaren Verpackungen und mehr Rezyklateinsatz, erklärt IK-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Engelmann. Dagegen bemängelt der Bundesverband Holzpackmittel, Paletten, Exportverpackung (HPE) eine zu starke Konzentration der PPWR auf die Kunststoffprodukte. Es gebe einen „One-size-fits-all“-Ansatz, bei dem Kunststoff und der nachhaltige Rohstoff Holz in einen Topf geworfen würden. Die Eigenschaften von Holz und die Beiträge von Holzverpackungen für die Kreislaufwirtschaft würden aber nicht berücksichtigt.
Maschinenbau übt Kritik
Der VDMA Fachverband Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen sieht ein anderes Defizit der PPWR, denn sie führe zu einer Zurückhaltung bei den Investitionen. Diese seien in Deutschland zwischen Januar und September 2023 bereits um zwölf Prozent gesunken, erklärt Geschäftsführer Richard Clemens. Die EU verfolge die richtigen Ziele, doch eine vollständige Harmonisierung fehle, der Flickenteppich an spezifischen nationalen Verordnungen bestehe weiterhin. Nach Einschätzung des Deutschen Verpackungsinstitut (dvi) zeige die PPWR aber die Richtung, um sie zu erreichen. Durch die Anforderungen für den gesamten Lebenszyklus bilde sie einen „Meilenstein“. Aber für eine Integrität des Binnenmarkts seien Nachbesserungen bei der Harmonisierung der Nachhaltigkeits- und Abfallmanagementanforderungen notwendig. Europa benötige eine europaweite Infrastruktur für Wiederverwertung und Recycling und eine Definition des „Recycling in der Praxis“.
Wellpappenindustrie zufrieden
Zufrieden sind die Vertreter der Papier- und Wellpappenindustrie. In der Verordnung zeige sich, dass das etablierte System des Wertstoffkreislaufs von Papier, Pappe und Karton ökologische Vorteile biete. Es werde als gleichwertig zu Mehrwegverpackungen angesehen. Der Verband der Wellpappenindustrie (VDW) stuft den Parlamentsbeschluss als „richtungsweisend“ ein. Das Potenzial der faserbasierten Verpackungen für die Kreislaufwirtschaft könne nun auch in Zukunft genutzt werden.