• 05.06.2025
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Die Tübinger Verpackungssteuer macht Schule

Eine Pommes oder ein Milchshake für unterwegs: Für Einweg-Verpackungen verlangt die Stadt Tübingen 50 Cent Steuer. Immer mehr Städte wollen dem Beispiel folgen, nachdem das Bundesverfassungsgericht den Weg für eine Verpackungssteuer frei machte. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer erklärt gegenüber FACHPACK360°, warum sich die Steuer bewährt hat.

Pommesschale und Getränkebecher aus Pappe.
Für Einwegverpackungen wie etwa Pommesschalen müssen die Betriebe in Tübingen eine Verpackungssteuer zahlen. Immer mehr Städte diskutieren über ähnliche Modelle.

Ob in Erfurt, Freiburg oder Bremen: In den deutschen Städten und Kommunen wird heiß diskutiert, wie der Verpackungsmüll reduziert werden kann und ob eine Steuer für Einwegverpackungen nach dem Vorbild Tübingens das richtige Mittel dafür ist. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist jetzt klar, dass dies grundsätzlich zulässig wäre. Ein McDonald’s-Franchisenehmer hatte gegen die Tübinger Steuer geklagt – ohne Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht wies die Beschwerde zurück und entschied, dass eine Verpackungssteuer verfassungsgemäß ist. Seitdem gibt es ähnliche Initiativen in weiteren Städten. 

Bayerns Staatsregierung untersagte allerdings die Einführung kommunaler Einweg-Verpackungssteuern. Eine solche Steuer belaste die Wirtschaft über Gebühr – und widerspreche etwa der Reduzierung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie. Bayern ist eines von fünf Bundesländern, in denen die Einführung einer Genehmigungspflicht auf Landesebene unterliegt. 

Porträt von Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen.
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat 2022 die Verpackungssteuer für Einwegverpackungen eingeführt. Das Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerde eines Tübinger McDonald’s-Restaurants ab und billigte die Steuer.

Wer in Tübingen Speisen und Getränke verkauft, muss auf nicht wiederverwendbare Verpackungen und andere Artikel eine Verpackungssteuerzahlen. Für Verpackungen wie Kaffeebecher und Pizzakartons sowie für Einweggeschirr wie Pommesschalen sind 50 Cent fällig. Für Einwegbesteck und andere Hilfsmittel wie Strohhalme werden 20 Cent verlangt. Ziel der Stadt ist es, Müll im öffentlichen Raum zu reduzieren. 

Eine Studie der Universität Tübingen konnte belegen, dass Mehrwegverpackungen seit der Einführung der Verpackungssteuer im Jahr 2022 deutlich öfter in Anspruch genommen werden. Nicht nachgewiesen werden konnte allerdings, dass sich dadurch die Müllmengen reduziert haben. Die Stadt ist mit den Ergebnissen nach der Einführung trotzdem zufrieden – vor allem die Stadtkasse freut es. Die Verpackungssteuer bringt der Stadt jährlich rund 800.000 bis eine Million Euro ein.

Boris Palmer gegen bundesweite Regelung

„Die Verpackungssteuer hat zum Ziel, Müll gänzlich zu vermeiden. Deshalb gilt sie auf alle Einwegverpackungen, unabhängig vom Material“, erklärt Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer auf Anfrage von FACHPACK360°. Vor allem aber, so Palmer, liege seit der Einführung deutlich weniger Müll auf Gehwegen und Straßen. Genaue Zahlen dazu liegen der Stadt nicht vor. Eine anonyme Umfrage unter der örtlichen Gastronomie habe aber ergeben, dass die Verwendung von Einwegverpackungen zwischen 2019 und 2025 in Tübingen deutlich zurückgegangen sei. Bei 27 Prozent der Betriebe sei die Verwendung gleichgeblieben und bei 73 Prozent zurückgegangen. 17 Prozent der Betriebe verzichten inzwischen sogar ganz auf Einwegverpackungen, so Palmer.

„Die Einführung der Verpackungssteuer war ein Katalysator für die Nutzung von Mehrweg in Tübingen: Die meisten Betriebe haben mit beziehungsweise nach Inkrafttreten der Verpackungssteuer Mehrwegverpackungen ins Angebot aufgenommen“, sagt Palmer.

 

Mehrweg-Box für Pizza

Seit kurzem gibt es in Tübingen auch eine Mehrweg-Box für Pizza, die die Stadt gemeinsam mit der Firma Trikora Deutschland GmbH eingeführt hat. Die Pfandboxen sind seit Mai in verschiedenen Tübinger Gastronomiebetrieben gegen ein Pfand von fünf Euro erhältlich. Weitere Betriebe können sich dem Projekt anschließen. Kommunen sollten generell Anreize für Mehrweg- und Pfandsysteme bieten, meint Palmer. Tübingen unterstütze Betriebe beim Ausbau von solchen Systemen mit einem finanziellen Förderprogramm. „Auch dadurch hat sich in Tübingen die Zahl der Gastronomen, die Speisen und Getränke in Mehrwegbehältern ausgeben, seit Einführung der Verpackungssteuer vervierfacht.“

Kritiker einer Verpackungssteuer sprechen von bürokratischem Mehraufwand. Dem entgegnet der parteilose OB: „Die Verpackungssteuer hat in Tübingen eine hohe Akzeptanz, auch bei den Gastronomiebetrieben. Das führen wir auf die umfangreiche Kommunikation seitens der Stadtverwaltung zurück. Die größten Kritikpunkte in der Vergangenheit waren das Alleinstellungsmerkmal und die rechtliche Unsicherheit. Beides hat sich inzwischen erübrigt – das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes brachte Rechtssicherheit, andere Städte führen jetzt ebenfalls eine Verpackungssteuer ein.“

Der Aufwand für die Betriebe sei überschaubar. Er beschränke sich zunächst auf die jährliche Abgabe einer zweiseitigen Steuererklärung, in der die Betriebe Angaben über die Menge der abgegebenen Einwegverpackungen machen müssen. Die meisten Betriebe erfassen dies mittlerweile über ihr elektronisches Kassensystem. „Wir achten grundsätzlich darauf, den Aufwand für die Betriebe möglichst gering zu halten.“

Auch wenn Palmer nur Vorteile der Verpackungssteuer benennt, spricht er sich gegen eine bundesweite Regelung aus. „Das kann jede Kommune gut selbst regeln. In Städten, die kein Problem mit Müll im öffentlichen Raum haben, ist eine solche Regelung auch nicht erforderlich.“

 

Von Anna Ntemiris, Redakteurin