Wenn Verpackungstechnik viel Raum für Kreativität bietet
23.05.2023 Insights Frauen in der Verpackungsindustrie Artikel

Wenn Verpackungstechnik viel Raum für Kreativität bietet

Wie kann die Verpackungsbranche ihren Frauenanteil erhöhen und somit auch mehr weibliche Vorbilder in Führungspositionen gewinnen? Möglichkeiten sind der Zugang über das Design und kreatives Schaffen in der Ausbildung.

Im Studiengang Verpackungstechnik an der HdM Hochschule der Medien in Stuttgart sind besonders viele Studentinnen eingeschrieben. Professorin Maria Erxleben (links) kennt die Verpackungsbranche aus Sicht der Industrie und Wissenschaft. Im Studiengang Verpackungstechnik an der HdM Hochschule der Medien in Stuttgart sind besonders viele Studentinnen eingeschrieben. Professorin Maria Erxleben (links) kennt die Verpackungsbranche aus Sicht der Industrie und Wissenschaft.

Junge Frauen haben häufig Vorbehalte gegen einen MINT-Bildungsweg. 40 Prozent fürchten Schwierigkeiten und Überforderung in der Ausbildung, so ein Ergebnis der Studie „MINT-Bildung. Was junge Frauen darüber denken“ der Internationalen Hochschule (IU) in Erfurt. Erstaunlich dabei: 70 Prozent der jungen Frauen sagen, sie hätten durchaus ein persönliches Interesse an naturwissenschaftlichen Fächern oder Technik. Professorin Alexandra Wuttig, Kanzlerin der IU, meint, um gegen den Trend zu steuern, brauche die Gesellschaft dringend mehr weibliche Vorbilder aus MINT-Berufsfeldern: „Denn Vorbilder im direkten Lebensumfeld, wie Lehrerinnen und Familienmitglieder, aber auch aus der Wirtschaft, haben großen Einfluss auf die spätere Studien- und Berufswahl.“ Genau die aber fehlen laut der Studie: Nur wenige der Befragten haben den Ergebnissen zufolge Freundinnen oder weibliche Verwandte, die in technischen Berufen arbeiten.

Auch in der Verpackungsbranche fehlt es an Frauen in Top-Positionen. Aber es gibt auch andere Zahlen. Der Frauenanteil an der HdM Hochschule der Medien Stuttgart spricht für sich: Derzeit sind von 199 eingeschriebenen Studierenden im Bachelorstudiengang Verpackungstechnik 118 weiblich.

Dass Frauenmangel an der HdM unter den Studierenden kein Thema sei, können die beiden Wissenschaftlerinnen Dr. Maria Erxleben (53), Professorin für Logistik und Transportverpackung, und Martina Lindner (35), Professorin für Faserstoffe, Umwelt und Verpackung, bestätigen. Die Hochschule erklärt sich den hohen Frauenanteil im Bereich der Verpackungstechnik unter anderem damit, dass der Studiengang viel Raum für Kreativität und Design biete und somit auch mehr Menschen anspreche.

„Verpackungstechnik ist eine Zehn-Kampf-Disziplin. Sie ist vielseitig. Es gibt viel Raum für Kreativität, die eine Stärke von vielen Frauen ist. Das versuche ich, den jungen Frauen zu erklären“, sagt Erxleben. Jeder und jede könne ihre eigene Fachrichtung in diesem Zehnkampf bestimmen. „Wir bilden Generalisten aus, die sich spezialisieren können.“

Als Logistikerin habe sie früh die Faszination der Verpackung entdeckt. Das Thema Nachhaltigkeit spiele in der Öffentlichkeit eine große Rolle, aber die Verpackung habe dabei einen schlechten Ruf. Erxleben denkt, dass dies auch ein Grund für fehlende Nachwuchskräfte sei. Dabei arbeite jede Verpackungstechnikerin an der nachhaltigen Entwicklung von Materialien und Systemen.

Die Professorin kennt die Branche aus vielen Perspektiven, sie hat 22 Jahre in der Industrie bei Bosch gearbeitet, davon einige Jahre in Malaysia. „Ich war damals berufstätige Mutter von zwei Kindern, mein Mann arbeitete in China.“ Das sei nicht immer einfach gewesen.

„Es ist in der Verpackungsbranche im Bereich der Führungspositionen nicht anders als in anderen Branchen. Frauen, die Kinder bekommen, sind oft froh, wenn sie nach der Elternzeit ihre alte Position bekommen können und wagen gar nicht erst, nach Höherem zu greifen“, sagt Martina Lindner, die sich derzeit in Elternzeit befindet. Ihr zweites Kind ist erst einige Wochen alt, aber wie beim ersten will sie nicht allzu lange pausieren. „An der Hochschule ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einfacher als in Unternehmen. Das sind meine Erfahrungen“, sagt Lindner.

Die 25-jährige Verpackungsingenieurin Jule Schmitt ist seit einem Monat für das Supply Chain Management der Physik Instrumente (PI) GmbH tätig. „Ich habe mich Initiativ beworben, weil mich die Produktwelt des Unternehmens angesprochen hat“, sagt sie. „Mich fasziniert am meisten die Schnittstellenarbeit. Von der Auswahl der Materialien über den Produktschutz, das Design und den Vertrieb. Ich habe viel zu beachten“, erklärt Schmitt. Sie hofft, dass noch mehr junge Verpackungsexpertinnen den Weg in hohe Positionen schaffen. „Manchmal habe ich den Eindruck, dass es einigen Frauen am Selbstbewusstsein fehlt, sich für höhere Stellen zu bewerben. Das finde ich schade.“

Die Jobsuche steht der 23-jährigen Studentin Emma Schüttoff noch bevor. Sie schreibt derzeit an der HdM ihre Bachelorarbeit in Verpackungstechnik im Themenbereich der Ökobilanzen von Verpackungen und Materialien. Bisher habe sie nicht darauf geachtet, ob mehr Männer oder Frauen in der Branche tätig sind. „An der Hochschule ist das Verhältnis ausgeglichen. Ich habe mich für den Studiengang entschieden, weil ich etwas lernen wollte, was Kreativität, Technik und Nachhaltigkeit verbindet.“ Mit innovativen Verpackungen könne man sehr viel zur Nachhaltigkeit beitragen, ist die Stuttgarter Studentin überzeugt.