Wenn das Wort „Klimaneutral“ Konzerne wie Aldi oder Katjes vor Gericht bringt
10.05.2024 Sustainability New Paths Design Artikel

Wenn das Wort „Klimaneutral“ Konzerne wie Aldi oder Katjes vor Gericht bringt

Wo endet Öko-Marketing, wo beginnt Greenwashing? Immer mehr Gerichte entscheiden über Aussagen zur Klimaneutralität von Unternehmen. Das BGH wird Ende Juni über den Katjes-Fall entscheiden.

Außenansicht Bundesgerichtshof in Karlsruhe mit Garten. Das erbgroßherzogliche Palais in Karlsruhe ist das Dienstgebäude des Bundesgerichtshofs. Der BGH wird Ende Juni eine Entscheidung zum Katjes-Fall fällen.

Der Greenwashing-Vorwurf ist eine politische Angelegenheit, die Unternehmen müssen das Thema genauer im Fokus haben, nachdem Brüssel die Vorgaben verschärft hat. Wenn es um das Wort „Klimaneutralität“ geht, dann sind in Deutschland auch Richter gefragt. Das Landgericht Duisburg urteilte am 8. Mai, dass der Claim "Erster klimaneutraler Lebensmittelhändler in Deutschland seit 2017" von Aldi Süd unlauter war. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

Auch der Bundesgerichtshof ( BGH) wird sich in Kürze mit dem Thema Klimaneutralität aus rechtlicher Sicht befassen – es geht um den „Katjes-Fall“ . Das Urteil der Karlsruher Richter wird die Frage beantworten, wie deutlich Unternehmen in der Werbung herausstellen müssen, was sich hinter dem Begriff „Klimaneutral“ verbirgt.

Musste der Süßwarenhersteller Katjes klarstellen, dass die von ihm beworbene „Klimaneutralität“ durch Kompensation von CO2-Emissionen erreicht wurde – und nicht durch deren vollständige Vermeidung? Die BGH-Richter ließen Mitte April bei der mündlichen Verhandlung durchblicken, dass sie zu einer strengen Sichtweise neigen – sprich, Transparenz zur Art und Weise der beworbenen Klimaneutralität verlangen könnten, berichtete die Lebensmittelzeitung. Am 27. Juni nun wollen sie urteilen (Az.: I ZR 98/23). Es handelt sich um eine Entscheidung mit wegweisender Richtung, die die Wettbewerbszentrale angestrebt hatte, um Rechtssicherheit für die Unternehmen zu erzielen, die mit „klimaneutral “ werben.

Konkret geht es um eine 2021 in der „Lebensmittel Zeitung“ abgedruckte Katjes-Reklame. Darin hatte der Hersteller seine „Grün-Ohr-Hasen“ unter anderem mit der Aussage „Seit 2021 produziert Katjes alle Produkte klimaneutral“ beworben – mit einem Link zur Internetseite des Dienstleisters ClimatePartner mit weiterführenden Informationen. Der Herstellungsprozess der Katjes-Produkte verläuft unstrittig nicht CO2-neutral.

Die Wettbewerbszentrale hatte geklagt, weil sie den Claim „Klimaneutral“ ohne weitere Erläuterungen für intransparent und damit unlauter hält. Sie meint, die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Reklame so, dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral ablaufe.

Zumindest müsse die Aussage dahingehend ergänzt werden, dass die Klimaneutralität erst durch kompensatorische Maßnahmen hergestellt werde. Der BGH scheint das ähnlich zu sehen. So verwies der Vorsitzende Richter Thomas Koch auf die frühere „Umweltengel“-Rechtsprechung des BGH aus den 1990ern, die „nicht etwa überholt, sondern heute bedeutender denn je“ sei. Diese Rechtsprechung statuiert für Umweltaussagen strenge Anforderungen und weitgehende Aufklärungspflichten in der Werbung beziehungsweise auf dem Produkt selbst.

Label auf Verpackung entfernt

In den Vorinstanzen hatte die Zentrale verloren.  „Für uns ist das Verfahren nicht mehr relevant, weil wir schon lange nicht mehr mit ‚klimaneutral' werben“, erklärte Katjes-Justiziar Ulf Dörner im Anschluss an die Verhandlung, schrieb die LZ.

ClimatePartner betont: „Wir haben uns bereits im letzten Jahr dazu entschieden, das Label ‚klimaneutral ‘ nicht mehr anzubieten.“ Mit der seither neuen Label- Lösung greife ClimatePartner einige der anstehenden EU-Regulierungen auf – wie etwa die „Green-Claims-Richtlinie“ oder die „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“.

Eine Grundsatzentscheidung zu rechtssicherer „klimaneutral“-Reklame wird dringend erwartet. Es gibt bereits zahlreiche, teils erheblich divergierende Urteile in diesem Kontext; es fehlt an einer einheitlichen Linie.

So hatte das OLG Düsseldorf eine entsprechende Werbung des Marmeladenherstellers Mühlhäuser für unzulässig erachtet, das OLG Schleswig eine solche Reklame auf Verpackungen des Müllbeutel-Herstellers Pely-Plastic gebilligt – und das LG Karlsruhe wiederum hatte dm den Claim auf Verpackungen einer seiner Eigenmarken untersagt.