Verpackung der Zukunft: Papier, Kunststoff, oder beides?
18.04.2023 Innovative Processes Artikel

Verpackung der Zukunft: Papier, Kunststoff, oder beides?

Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV ist bekannt für seine Innovationen bei Lebensmitteln und Verpackungen. Dort, wo sich beide Bereiche überschneiden, finden die Wissenschaftler besonders spannende Herausforderungen und Lösungsansätze. Einen Auszug daraus gaben die Vorträge in der TECHBOX 2022.

Experten des Fraunhofer IVV auf der Bühne der FACHPACK Von links: Paula Goderbauer (Wissenschaftlerin Materialentwicklung), Nelly Freitag (Wissenschaftlerin Materialentwicklung), Dipl.-Ing. Jochen Neubauer (Packaging Engineer – Recyclingtechnologien); Fabian Kayatz (Gruppenleiter Prozesse und Maschinenintegration)

Der Leiter der Fraunhofer IVV, Prof. Dr.-Ing. Jens-Peter Majschak, stellte auf der FACHPACK 2022 gemeinsam mit vier Wissenschaftlern unter Beweis, dass die Kreislauffähigkeit von Kunststoffverpackungen machbar ist, und dass das Potenzial von Papier noch lange nicht ausgeschöpft ist. 

Papierbasierte Verpackungen – Herausforderungen und Lösungsansätze

Die Materialexpertin Paula Goderbauer hat festgestellt, dass Papierverpackungen im Kommen sind – ob als Verbund- oder als Mono-Materialien. Neben Vorteilen wie der Recyclingfähigkeit und mechanischer Stabilität, bringt Papier allerdings auch bestimmte Herausforderungen mit sich. Ein großer Hemmschuh liegt beispielsweise darin, dass es nicht über Barriereeigenschaften verfügt. Durch Beschichtungen kann das Material jedoch mit Eigenschaften ausgestattet werden, die es sogar für den Einsatz in Lebensmittelverpackungen qualifizieren. Wie Goderbauer erläutert, stehen hierzu die chemische Beschichtung, die Extrusionsbeschichtung und das Skinformen zur Auswahl.

Knackpunkt für die Barrierequalität sei dabei vor allem die Oberflächenqualität des Papiers. „Wenn eine Papierfaser absteht, dann ist an dieser Stelle die Beschichtung dünner und es kann Luft oder Wasserdampf durchtreten“, so Goderbauer. Verschiedene Formulierungen und Beschichtungsarten können dem entgegenwirken. So sollte das verwendete Papier möglichst glatt, z.B. weiß gestrichen oder bereits mit einer Polymerschicht versehen sein.

Fabian Kayatz, Gruppenleiter Prozesse und Maschinenintegration, wies auf weitere Herausforderungen im Prozessverlauf hin. Was können Hersteller beispielsweise tun, um Beschädigungen der Barriere bei der mechanischen Verarbeitung zu verhindern? Eine Lösung liegt darin, die Oberflächen der Anlagen in regelmäßigen Abständen zu reinigen. Denn je länger eine Papierbahn auf einer Anlage verarbeitet wird, desto größter sind die negativen Auswirkungen beim weiteren Prozessverlauf. Auch höhere Temperaturen in den Anlagen können einen positiven Einfluss auf die Zuverlässigkeit des Herstellungsprozesses haben. Die schlechte Wärmeleitfähigkeit oder die Neigung Falten zu werfen, lässt sich laut Kayatz durch entsprechende Siegel- und Formprozesse in den Griff bringen. Papier hat besondere Eigenschaften, die Forscher zeigten sich aber zuversichtlich, dass seine Materialeigenschaften weiter optimiert werden und sich die Einsatzfelder damit ausdehnen können.

Kreislauffähige Zukunft für flexible Kunststoffverpackungen

Im zweiten Vortragsteil standen Kunststoffe im Mittelpunkt. Dipl.-Ing. Jochen Neubauer ist überzeugt: „Kunststoffverpackungen sind toll, weil man auch mit geringem Materialeinsatz viel mit ihnen machen kann.“ Probleme entstünden, wenn unterschiedlichste Verbundmaterialien eingesetzt werden, die sich schlecht oder gar nicht mehr recyceln lassen. 

Aus diesem Grund hat die EU Kommission das Multi Cycle Projekt ins Leben gerufen. Zum Einsatz kam dabei das Lösungsmittel-basierte Creasolv-Verfahren, das am Fraunhofer Institut in Freising zusammen mit Creacycle entwickelt wurde. Es eignet sich dafür, Verpackungen aus dem Gelben Sack sortenrein zu recyceln. Hierzu wird der Verpackungsabfall geschreddert und durchläuft zusammen mit einem Lösungsmittel verschiedene Behandlungsstufen. Am Ende des geschlossenen Prozesses entsteht ein Granulat, das frei von unerwünschten Polymeren, Verschmutzungen und anderen Substanzen ist. Eine Anlage im Norden Bayerns, beweist, dass das Verfahren funktioniert und Granulat zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren werden kann.

Lebensmittelverpackung hat besondere Voraussetzungen

Für Non-Food Verpackungen steht dem Einsatz des Rezyklats nichts im Wege. Bei Lebensmittelverpackungen müssen noch einige rechtliche und technologische Hürden genommen werden, meint Nelly Freitag, Wissenschaftlerin in der Materialentwicklung: „Solange wir Lebensmittelverpackungen nicht von anderen Verpackungsabfällen trennen können, ist es schwierig, Rezyklat daraus wieder in Lebensmittelverpackungen einzusetzen“. Eine Möglichkeit dafür seien funktionelle Barrieren, die das Rezyklat vom Lebensmittel trennen.

In einem weiteren Projekt mit dem Namen Circular FoodPack wollen die Forscher diese Herausforderung angehen und Lebensmittelverpackungen wieder in gleicher Qualität zu recyceln. Sie wollen beispielsweise das Sortieren mithilfe von chemischen Trackern optimieren, die in die Verpackungen integriert werden können, lässt Freitag durchblicken. Inzwischen habe sich das Verfahren in den Tests bewiesen. Markierte und unmarkierte Verpackungen ließen sich mit einer Genauigkeit von 97 Prozent trennen und damit als hochwertiges Rezyklat wiederverwenden.

Jens-Peter Majschak betonte zum Abschluss, dass diese Entwicklungen zeigen, dass auch Verbundmaterialien keine Sackgasse für das Recycling darstellen würden. „Es kommt darauf an, dass die Wirtschaft diese Recyclingkonzepte annimmt und ausprobiert“, so Majschak. Denkverbote seien fehl am Platz, um die Kreislaufwirtschaft der Zukunft zu realisieren.

In diesem Video können Sie sich die Vorträge noch einmal in ganzer Länge ansehen:

 
Experten des Fraunhofer IVV auf der Bühne der FACHPACK