EU-Verbote haben Einfluss auf den Maschinenbau
12.05.2023 Industry Look into Europe Artikel

EU-Verbote haben Einfluss auf den Maschinenbau

Nachhaltigkeit treibt Hersteller von Konsumgütern weltweit an. Das betrifft auch die Verpackungsindustrie. Der deutsche Maschinenbau trägt dazu bei, Emissionen zu reduzieren sowie Lebensmittel- und Verpackungsabfälle zu vermeiden. Der Entwurf der neuen EU-Verpackungsverordnung bietet dabei aus Sicht des VDMA viele Chancen, aber auch einige Risiken.

Vorsitzender Michael Trauwein (links) und Geschäftsführer Richard Clemens vom VDMA Fachverband Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen trinken aus essbaren Bechern Kaffee. Vorsitzender Michael Traumann (links) und Geschäftsführer Richard Clemens vom VDMA Fachverband Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen präsentieren einen essbaren Kaffeebecher.

Viele Unternehmen der Konsumgüter- und speziell der Lebensmittelindustrie haben sich bereits seit einigen Jahren Nachhaltigkeitsziele gesetzt. „Global gewinnt das Thema in allen Regionen der Welt an Bedeutung“, sagt Richard Clemens, Geschäftsführer des VDMA Fachverbands Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen. Dazu gibt es viele Statistiken, Clemens verweist auf die des Marktforschungsunternehmens Euromonitor International aus dem Jahr 2022. Tenor: Verbraucher beziehen zunehmend Nachhaltigkeitskriterien in Ihre Konsumentscheidung ein. Ein steigendes Bewusstsein für nachhaltige Verpackungen ist laut Euromonitor am stärksten ausgeprägt, wenn es um Kunststoff geht. Zugleich wird von den Konsumenten aber auch die hohe Bedeutung von Kunststoffen für die Lebensmittelsicherheit anerkannt.

Bedenke man, dass rund 64 Prozent der Verbraucherverpackungen aus Kunststoff seien und der Anteil laut Prognosen weltweit bis 2026 um drei Prozent steigen werde, sei die Reduzierung von Kunststoffabfällen ein wichtiges Ziel, betont Clemens. Auch das Thema Recycling müsse umso mehr vorangetrieben werden. Der VDMA unterstützt die Ziele der neuen EU-Verpackungsverordnung im Grundsatz. „Denn sie hat direkt nach ihrem Inkrafttreten Gültigkeit für alle EU-Mitglieder. Somit wird sie den aktuell bestehenden Flickenteppich an spezifischen verpackungsrechtlichen Regelungen in den EU-Mitgliedstaaten ablösen“, so Clemens. 

Zum Hintergrund: Gemäß der neuen Verordnung soll der Verbrauch von Primärrohstoffen gesenkt und der Anteil recycelter Kunststoffe in Verpackungen erhöht werden. Das gilt auch für Lebensmittelverpackungen. In diesen soll ab 2030 der Rezyklatanteil 10 Prozent betragen und ab 2040 auf 50 Prozent steigen. „Und da haben wir bei der Umsetzung Bauchschmerzen. Den verpflichtenden Einsatz von Rezyklaten in Lebensmittelverpackungen sehen wir sehr kritisch, denn diese Verpackungen haben eine Schutzfunktion für die menschliche Gesundheit. Themen wie mögliche Kontamination, Lebensmittelsicherheit und Hygiene sind hier unbedingt zu berücksichtigen“, betont Clemens. 
Zudem kritisiert er, dass für Lebensmittel-Kunststoffverpackungen, die nicht aus PET bestehen, es derzeit keine von der European Food Safety Authority (EFSA) bewertetes und damit von der EU zugelassenes Recyclingverfahren gäbe, dass den Gesundheitsschutz bei Verwendung von recycelten Kunststoffen in neuen Verpackungen gewährleiste. „Hier sehen wir erheblichen Handlungs- und vor allem Investitionsbedarf, um die Ziele des Mindestrezyklatanteils bei Lebensmittelverpackungen verwirklichen zu können.“

Chemisches Recycling als Lösungsweg?

Größte Herausforderung, so Clemens, im Recycling stellen die Mulitlayer-Folien dar. Um dieses Material künftig bestmöglich dem Kreislauf erneut zuführen zu können, bedürfe es einer Ausweitung des etablierten Recyclingverfahrens. Aus Sicht der Maschinenbauer sei dabei chemisches Recycling, da hierbei Kunststoff in seine chemischen Grundbausteine zerlegt wird. „Diese sinnvolle Ergänzung ist jedoch nach der EU-Abfallrahmenrichtlinie noch nicht anerkannt.“

Ein weiteres Problem sieht der Fachverbandsgeschäftsführer im selektiven Verbot von Verpackungsarten und -formaten, zum Beispiel für Obst- und Gemüse- sowie für Einwegverpackungen, die in Hotels oder im Catering eingesetzt werden. „Diese Verbote haben Einfluss auf alle Glieder der Wertschöpfungskette, auch auf den Maschinenbau. Über Jahrzehnte etablierte Geschäftsmodelle würden durch pauschale Verbote vor dem Aus stehen. Da muss aus unserer Sicht nachgebessert werden“, forderte Clemens. Diese und weitere Argumente hat der VDMA im März 2023 in Form eines  VDMA-Positionspapiers an die Kommission übermittelt. Viele Maschinenbauer stellen solche Kleinstverpackungen her, so Clemens. Ähnliche Kritik an der Verordnung übt auch VDMA-Vorstand Michael Trauwein (CEO Multivac). Er berichtete von einem französischen Kunden, der gefragt habe, welche Maschinen er künftig kaufen solle, wenn nicht klar sei, was die EU-Verpackungsverordnung im Endeffekt für ihn bedeute. „Das Rumgeiere der Politik ist für uns ein Hindernis.“

Dabei biete der Maschinenbau durchaus Lösungen und könne in die Diskussion einbezogen werden, so der Tenor des VDMA. Die Unternehmen des Nahrungsmittelmaschinen- und Verpackungsmaschinenbaus böten Technologien für die Transformationsprozesse auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Konsum. In der Prozesstechnik geht es vor allem um die Reduzierung des Einsatzes von Energie und Wasser in der Lebensmittelproduktion sowie um optimale Rohstoffverwertung. Die Hersteller von Verpackungsmaschinen unterstützen ihre Kunden bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategien durch innovative Verpackungskonzepte im Sinne des „Design-for-Recycling“. Dabei liegt ein wichtiger Fokus auf der Reduktion eingesetzter Materialien und auf einem verstärkten Einsatz von Monomaterialien statt Mehrschichtverbunden. Auch faser-basierte Verpackungsmaterialien kommen verstärkt zum Einsatz, wenn die zu verpackenden Produkte dies in Punkto Produktsicherheit und -haltbarkeit zulassen. An biobasierten Verpackungslösungen wird geforscht. 

„Den Unternehmen des Verpackungsmaschinenbau ist es in den letzten Jahren gelungen, die Umsetzung nachhaltiger Verpackungskonzepte durch entsprechende technische Anpassungen und neu entwickelte Maschinenlösungen zu ermöglichen“, sagt Clemens. Der Experte führt konkrete Beispiele auf:

  • Strukturierte Datenanalyse verringert Produktionsunterbrechungen und führt damit zu weniger Ausschuss.
  • Live-Messwerte zum Ressourcenverbrauch und Folienverbrauch steigern Effizienz und Nachhaltigkeit.
  • Deep Learning-Lösungen verringert die Anzahl fälschlicherweise ausgeschleuster Produkte.
  • Sensorbasierte für MAP-Verpackungen vermeiden Stichproben und Ausschuss.
  • Flexible Maschinenkonzepte für einen einfachen Wechsel zwischen Papier und Monokunststoffe durch austauschbare Siegeleinheiten. 
  • Neue Siegelverfahren für wärmeempfindliche Produkte wie Schokolade ermöglichen die Verpackung mit Monomaterialien
  • Ersatz von Sekundärverpackungen aus Kunststoff für Getränkegebindedurch Klebepunkte oder Karton-Clips.
  • Retrofit: 20 Jahre alte Anlagen mit neuer Steuerungs-und Antriebstechnik reduzieren den Stromverbrauch um 30 Prozent.
  • Alternative Materialien: Faltschachteln aus Basis von Graspapier oder Kaffeebecher aus Waffelteig, der aufgrund einer essbaren Beschichtung hitzebeständig ist und bis zum letzten Schluck stabil bleibt und verzehrt werden kann.